Im Rahmen der DEUQUA Tagung wurden zwei Albrecht-Penck-Medaillen für hervorragende Verdienste um die Quartärforschung verliehen. Anbei eine kurze Würdigung der Preisträger:
Prof. Dr. Klaus-Dieter Meyer
Nach seiner Schulzeit in Haldensleben (nördlich von Magdeburg) ging Klaus-Dieter Meyer zum Geologie-Studium nach Göttingen. Seine Diplomarbeit behandelte das Devon westlich von Goslar, auch in der Dissertation beschäftigte er sich noch thematisch mit dem Festgestein, und zwar hier mit den Quarziten des Allerzugs im Harz. 1963 trat er als Referendar beim Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung seinen Dienst an. Nach dem Referendariat ging er in die Kartierabteilung. 1973 übernahm er die Leitung des Referats Geologische Landesaufnahme im Flachland. 1980 erfolgte die Ernennung zum Direktor und Professor. Neben seiner Hauptaufgabe, der geologischen Landesaufnahme, war er auch an Projekten der angewandten Geologie beteiligt.
Seit 1981 hat er 20 Jahre an der TU Braunschweig gelehrt und über 100 Diplom-Arbeiten betreut.
Einer seiner beruflichen Schwerpunkte, aber auch gleichzeitig sein Hobby, sind die eiszeitlichen Geschiebe und die Geschiebezählung für stratigraphische Fragestellungen. Viele private Sommerreisen führten ihn die Herkunftsgebiete der Geschiebe. Die Geschiebesammlung in Hannover wurde auch von ihm ergänzt und vor allem betreut. Zahlreiche seiner rund 130 Veröffentlichungen sind der Geschiebeforschung gewidmet.
Aber auch Öffentlichkeitsarbeit war ihm wichtig; so erfolgte auf seine Initiative hin 1980 die Anlegung des Geschiebegartens von Hagenburg am Steinhuder Meer, nur ein Auftakt für weitere entsprechende Projekte. Ein weiteres „Hobby“ sind Meteoriten und Geschiebe aus möglichen Meteoriten, auch dazu gibt es Publikationen von K.-D. Meyer.
Die Kartierung im Flachland Niedersachsens ist maßgeblich von ihm beeinflusst worden; neben den geologischen Karten sind es auch die teilweise umfangreichen Erläuterungen und die wissenschaftliche Aufsätze als Folge der intensiven Geländearbeiten.
K.-D. Meyer war Gründungsmitglied der Subkommission Quartärstratigraphie, ferner Sekretär der Subkommission Europäische Quartärstratigraphie der INQUA. Zwei Jahrzehnte diente er der DEUQUA als Archivar (1982-2002). Bei der Arbeitsgemeinschaft Nordwestdeutschen Geologen hat er zahlreiche Exkursionsführungen unternommen, ebenso bei Tagungen der DEUQUA und bei der INQUA 1995.
Seit 2001 ist er im Ruhestand, hat aber seither mehr als zwei Dutzend Publikationen verfasst. Derzeit beschäftigt er sich unter anderem mit Geschieben als Bausteine für Kirchen, nimmt Stellung zur aktuellen Klimadiskussion und befasst sich mit der Stratigraphie des Aufschlusses Schöningen. Klaus-Dieter Meyer hat die Forschung zur Glazialstratigraphie über viele Jahre entscheidend geprägt.
Dr. Hansjörg Streif
Hansjörg Streif stammt aus Südwestdeutschland und studierte Geologie und Paläontologie in Freiburg. Nach Abschluss seines Diploms mit einer Arbeit über limnische und marine Molluskenfaunen in Griechenland fing er 1964 als technischer Angestellter am Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung an.
Nach seiner Promotion 1967 zu „Limnogeologische Untersuchungen des Seeburger Sees (Untereichsfeld)“, war er in den Referaten „Paläontologie, Biostratigraphie und Sammlung“ und „Geochronologie, 14C-Labor“ tätig. 1978 wurde er Referatsleiter der Geologischen Landesaufnahme, Abteilung Küste. 1989 erfolgte die Ernennung zum Direktor und Professor beim Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung.
Neben seinen Aufgaben im Rahmen der Küstenkartierung war er im Auftrag der BGR in Malaysia, Indonesien, Ghana, Pakistan und Kamerun bei der Rohstoffprospektion tätig. 2001 ging er als Berater für Küstenforschung zum chinesischen Geologischen Dienst in Tientsin (Bohai-Sea).
Die südliche Küste der Nordsee ist aber als sein wesentlicher Arbeits- und Forschungsschwerpunkt anzusehen. Zusammen mit Dr. Jobst Barckhausen entwickelte er das „Lithologische Ordnungsprinzip“ für die Kartierung im Küstenholozän, Grundlage für die Konzeption und Komplettbearbeitung der Geologischen Küstenkarte 1:25 000 von Niedersachsen mit insgesamt 53 Kartenblättern, mit jeweils zwei Karten: Relief der Holozänbasis und Profiltypen des Küstenholozäns.
1990 gingen wesentliche Ergebnisse seiner Arbeit in den Band 57 der Sammlung Geologischer Führer: Das ostfriesische Küstengebiet: Nordsee, Inseln, Watten und Marschen ein.
1978 wurde Hansjörg Streif Full Member der INQUA Subcommission on Shorelines of Northwestern Europe und war zeitweise ihr Präsident. 1980 wurde er ordentliches Mitglied der Subkommission für Quartärstratigraphie der DUGW.
Ferner war er Mitglied der Konferenz der Leitenden Wissenschaftler der Meeresforschung der norddeutschen Länder (KLMN) und seit 1990 Mitglied des Zentrums für Flachmeer-, Küsten- und Meeresumweltforschung e.V. (Forschungszentrum TERRAMARE) in Wilhelmshaven.
1990 bis1992 koordinierte er die deutschen Aktivitäten im „EG-Southern North Sea Project“ der Europäischen Union (beteiligt waren die Geologischen Dienste von Belgien, Niederlanden, Großbritannien, Dänemark, Deutschland sowie eine Kooperation mit Norwegen) und gab auch federführend die deutschen Beiträge heraus (Geologisches Jahrbuch Reihe A, H. 146).
In die Klimadiskussion hat er sich kritisch eingemischt als Co-Autor des Buches Klimafakten: der Rückblick – ein Schlüssel für die Zukunft (2001).
Zahlreich sind seine Publikationen (an die 300), sein Führungen bei Tagungen der Nordwestdeutschen Geologen, der INQUA und der DEUQUA waren immer gewinnbringend für die Teilnehmer. Hansjörg Streif hat das Nordsee-Küstenquartär national und international vertreten und die Forschung entscheidend vorangetrieben.
Die Ehrenmitgliedschaft der DEUQUA erhielt Prof. Dr. Ernst Brunotte
Ernst Brunotte hat an der Universität Göttingen Geographie studiert, seine Diplomarbeit befasste sich mit dem halokinetisch beeinflussten Solling-Nordrand, seine Dissertation mit der quartären Formung von Schichtkämmen im Leine-Weser-Bergland. 1985 schloss er seine Habilitationsschrift, eine landschaftsgenetische Studie an dem Piedmont der Mendociner Kordellieren, Argentinien, ab. 1987 erhielt er einen Ruf nach Köln, wo er nach einer Rufablehnung von einer C3 auf eine C4-Stelle wechselte und die Abteilung für Angewandte Geomorphologie und Geländeforschung einrichtete. Inhaltliche Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit waren unter anderem die Landschaftsgenese, die geomorphologische Kartierung – auch in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung –, die Lössstratigraphie, Kolluvien, die Renaturierung von Fließgewässern und die Stadtgeomorphologie von Köln. Jahrelange Forschungen widmete Ernst Brunotte der Landschaftsgeschichte und der quartären Klimageschichte von Namibia. Quartärwissenschaftliche Themen durchziehen seine Veröffentlichungen.
Bereits 1966 nahm er an seiner ersten DEUQUA-Tagung teil, seither war er ein regelmäßiger Teilnehmer und auch wiederholt Exkursionsführer bei der DEUQUA, ferner ein Besucher von INQUA-Kongressen und auch ein häufiger Teilnehmer bei den Tagungen der Nordwestdeutschen Geologen.
Seine weit gefächerten wissenschaftlichen Erfahrungen waren die Grundlage für die ehrenamtliche Tätigkeit im DEUQUA-Vorstand als Schriftleiter von Eiszeitalter und Gegenwart. In den Jahren 2002 bis 2005 hat er 5 Jahrbücher, die Bände 51-55, betreut. Für seine engagierte und konstruktive Mitarbeit im DEUQUA-Vorstand, erwachsen aus jahrelanger Verbundenheit mit der DEUQUA, und für seine Tätigkeit als Schriftleiter wurde Ernst Brunotte die Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Verleihung des Woldstedt-Preises für Nachwuchswissenschaftler an Dr. Ronny Boch, Universität Innsbruck
Ronny Boch wurde der mit 500,- € dotierte Woldstedt-Preis für seine Dissertation: “Stalagmites from Katerloch Cave, Austria: Growth dynamics and high-resolution records of climate change” verliehen. Der Preisträger hat nach einer Schulzeit in Bregenz und einer Dienstzeit als Militärmusiker in der Österreichischen Armee an der Universität Innsbruck Geologie und Philosophie studiert und beide Studiengänge mit dem Master abgeschlossen. Seine oben genannte Dissertation stellte er 2008 fertig.
Die preiswürdige Dissertation entstand als Teil eines sich über die Ostalpen erstreckenden Untersuchungsprogramms zur Erfassung hochaufgelöster Klimaarchive an Höhlensedimenten. Die Höhle Katerloch, nordwestlich von Graz am Südostrand der Ostalpen, soll dabei auch die Verbindung zum südosteuropäischen Raum herstellen. Die Dissertation behandelt die Untersuchung von schnell wachsenden Stalagmiten, wobei Ronny Boch sich intensiv mit modernen Methoden zur Tropfsteindatierung und der auf dieser Basis möglichen Paläoklima-Rekonstruktion beschäftigte. Die laboranalytischen Untersuchungen bilden eine breite Palette von Methoden ab, die von mineralogischen und geomorphologischen Untersuchungen bis hin zu umfangreichen Analysen von Höhlenluft und Höhlenwasser reichen. Ferner werden Ergebnisse eines 2,5jährigen Monitorings von Lufttemperatur und -zusammensetzung, Hydrochemie des Tropfwassers, Bodengasmessungen klar und umfassend dokumentiert. Trotz der Vielzahl einander gegenübergestellter Teilaspekte zum Thema gelingt es Ronny Boch stets die Ergebnisse unterschiedlichster Methodik und Skalierung in einen stringenten Zusammenhang zu stellen und damit weiterführende Perspektiven von hoher wissenschaftlicher Relevanz zu eröffnen. So kann er einen ausgeprägten saisonalen Gang des Höhlenklimas nachweisen, während die Hydrochemie der Karstwässer einen mehrjährigen Trend aufweist. Aus der Verschneidung der Parameter Höhlenluft und Höhlenwasser in den unterschiedlichen zeitlichen Rhythmen erwächst ein hochkomplexes Bild des Stalagmitwachstums, dessen Verständnis einen wichtigen Baustein zur kritischen Interpretation und Rekonstruktion paläoklimatischer Phasen liefert. Als wesentlicher Faktor in der Steuerung des Stalagmitenwachstums ist die Ventilation der Höhlenluft anzusehen. Auch sind Unterschiede der jahreszeitlichen Lamina der Stalagmiten in ursächlichem Zusammenhang mit kleinsträumigen Umgebungsparametern der Stalagmitwachstums-Stellen zu sehen. Hier belegen die von Ronny Boch durchgeführten Isotopenanalysen (C-Isotope – korrelieren mit der Entgasungsintensität von CO2 – sowie Spurenelementgehalte) eindrucksvoll die jahreszeitlichen Variationen, denen die längerfristigen Änderungen im O-Isotopengehalt gegenüberstehen. U-Th-Datierungen ermöglichen eine zeitliche Zuordnung der Stalagmitbildung in das Holozän. Mit der Arbeit wurden erstmals auch die 8,2 ka- und 9,2 ka-Abkühlungs-Ereignisse im südlichen Alpenraum nachgewiesen.
Als Ergebnis liegt damit erstmals ein sehr gut interpretierbares Klimaarchiv am Alpensüdrand v.a. für das Früh- und Mittel-Holozän vor. Einzelne Abschnitte des Spät-Holozäns, des MIS 3 und aus dem MIS 5 konnten ebenfalls untersucht, aber nicht ganz sicher chronologisch eingeordnet werden.
Ein wesentliches Ergebnis für die Klimaforschung ist auch, dass es im Holozän immer wieder zu kurzen (~ 100 Jahre) kräftigen Klimaschwankungen (Abkühlung von 2,5-3°C) und zu Schwankungen von 7-8°C im MIS 3 gekommen war. Die Dissertation zeigt an dem Beispiel des Katerlochs durch die akribische Grundlagenerfassung einmal mehr welches Potenzial in der Klimarekonstruktion in den Höhlensintern vorhanden ist.
Die Arbeit sowie die Quellen für bereits in Fachzeitschriften veröffentlichte Teile sind unter http://www.uibk.ac.at/geologie/pdf/phd_ronny_boch.pdf zu finden.
Margot Böse, Berlin
Auf der 22. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Alpenvorland Quartär (AGAQ) vom 23.-25. April 2010 in Waldshut Tiengen umfasste das wissenschaftliche Programm wieder spannende Vorträge, lebhafte Diskussion sowie Exkursionen in die Nordschweiz.
Im Rahmen der Arbeitssitzung am Freitagnachmittag berichtete Christian Schlüchter über eine neue Karte der Schweiz während des letzteiszeitlichen Maximums (LGM). Im Vergleich zur sogenannten „Jäckli-Karte“ ergaben sich viele Verbesserungen z.B. im Bereich der Jura-Eiskappe, im Transfluenzbereich Goms-Simplon, im Bereich der Eisdome (Hinterrheintal, Obergoms, Engadin), in Insubrien und im Napf-Bergland. Die sehr empfehlenswerte neue Karte kann bei Swisstopo bestellt werden. Danach referierte Christian Schlüchter über „Erosion während des Quartärs in der Nord-Schweiz“. Dieses Thema ist besonders aktuell angesichts der laufenden Diskussionen um die geologische Tiefenlagerung von radioaktivem Abfall. Es folgte ein Referat von Naki Akcar und KollegInnen über „Age of Deckenschotter: Theoretical approach with cosmogenic 10Be and 26Al“. Große methodische Schwierigkeiten sind bei diesem Datierungsverfahren noch zu lösen. Im nächsten Vortrag berichteten Oskar Keller und Edgar Krayss über „Neue Erkenntnisse zum Mittel- und Oberpleistozän der Nordschweiz“. Die beiden Autoren postulierten Vergletscherungen während den Marinen Isotopen Stadien (MIS) 2 (Stichwort „Birrfeld – Niederterrasse“), MIS 6 („Koblenz“), MIS 8 („Habsburg“), sowie MIS 10 und älter („Möhlin“). Nach einer Pause schilderte Bernhard Lempe seine angewandten Untersuchungen an Schmelzwasserkiesen aus dem Großraum Memmingen (Bayern). Er stellte Möglichkeiten vor, wie die charakteristischen Verwitterungsbildungen bezeichnet und klassifiziert werden könnten. Danach beschrieb Andreas Dehnert (und Kollegen) „Paläoumweltrekonstruktion an Sedimenten des glazial übertieften Wehntals im nördl. Schweizer Alpenvorland mittels erster Erkenntnisse aus der 2009´er Tiefbohrung in Niederweningen“. Unterhalb der berühmten Mammuttorfe finden sich mehrere Seesedimentabfolgen von vermutlich sehr ausgedehnten Seen und basale Gletscherablagerungen. Abschließend führte Hansruedi Graf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitstagung in das Exkursionsgebiet der Arbeitstagung ein. Er berichtete auch über die generelle Korrelierbarkeit der Morphostratigraphie der Nordschweiz mit dem entsprechenden System im süddeutschen Alpenvorland.
Am Samstag besuchten die Tagungsteilnehmerinnen und –teilnehmer dann die Kiesgruben Solenberg / SH (Foto), GU / Beringen, Hablützel / Wilchingen, Geisslingen, Hönger / Klingnau und KIBAG / Birr. Neben einer Vielzahl von mindestens vier, bisher nur tentativ mittels Optisch Stimulierter Lumineszenz (OSL) datierten Hochterrassen-Einheiten wurden Paläoböden und Terrassen-Einschachtelungen von Hoch- und Niederterrasse besucht. In der Mittagspause wurden gemeinsame Publikationen für die INQUA-Tagung im Jahr 2011 diskutiert. Die AGAQ möchte Ihre regionalen Arbeitsgebiet in einem Sonderband des Quaternary Science Journals vorstellen.
Die Exkursion am Sonntag führte die AGAQ 2010 ins Möhliner Feld. Nördlich von Wallbach konnten Schwarzwald-Erratika beobachtet werden. Im Bereich der morphologischen Wallformen bei Forstzelgli / Wallbach (einer Endmoräne nach Penck & Brückner) berichtete Hansruedi Graf, dass bisher lediglich Löss-Sedimente unter den Wallformen erbohrt werden konnten. Der letzte Aufschluss der Exkursion führte zur Kiesgrube Bünten, in der zeitweilig Moränenmaterial und zwei verschiedene Hochterrassen-Einheiten aufgeschlossen waren. Die Tagung wurde vom „dienstältesten“ Forscher der Arbeitsgemeinschaft Rene Hantke und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Markus Fiebig beendet und den lokalen Tagungsorganisatoren Dorian Gaar, Frank Preusser und Hansruedi Graf sowie allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung sehr herzlich gedankt. Für 2011 und 2012 gibt es bereits wieder konkrete Ideen für Arbeitstagungen, so dass eine Fortsetzung der Aktivitäten der AGAQ für die kommenden Jahre gesichert ist.
Markus Fiebig, Wien, Frank Preusser, Bern, Hansruedi Graf, Baden (Schweiz) & Jürgen Reitner, Wien
Die 29. Jahrestagung der AG Paläopedologie der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft fand in diesem Jahr vom 14.-16. Mai in Frankfurt/M. statt. Sie wurde zum ersten Mal gemeinsam mit dem Arbeitskreis Geoarchäologie durchgeführt, so dass insgesamt über 100 Anmeldungen zu verzeichnen waren. Die hervorragende Organisation, die den reibungslosen Ablauf der Vortragsveranstaltungen sowie der beiden Exkursionen garantierte und auch für eine äußerst angenehme Arbeitsatmosphäre sorgte, sind den Teams von Heinrich Thiemeyer und Jürgen Wunderlich zu verdanken.
Auf der Sitzung des AGPp am 14. Mai im Geozentrum der Universität Frankfurt wurde kurz die neue Homepage des AGPp vorgestellt (www.dbges.de/wb/pages/arbeitsgruppen /palaeopedologie.php), von der inzwischen auch alle Exkursionsführer der vergangenen Tagungen heruntergeladen werden können. Nach einem kurzen Rückblick auf die letztjährige Tagung in Wien von B. Terhorst (Würzburg), stellte H. Veit (Bern) Ergebnisse zu Paläoböden und zur pleistozänen Paläoumwelt in der Atacama (Chile) und aus dem Amazonastiefland in Bolivien vor. A. Skowronek (Bonn) führte in neue Arbeiten (gemeinsam mit S. Wagner, N. Günster) zur Stratigraphie der fossilen Paläoböden in Küsten-Schwemmfächern Spaniens (Costa Blanca, Ibiza, Mallorca) ein. D. Faust (Dresden) stellte derzeit laufende Projekt zur holozänen fluvialen Dynamik in Spanien und Georgien (mit H. v. Suchodoletz, Leipzig) vor und S. Meszner (Dresden) berichtete über den Fortgang der Arbeiten an den Sachsen-Lössen und den darin ausgebildeten Paläoböden, die im Rahmen der AGPp 2007 zuletzt im Gelände diskutiert wurden. Den Abschluss der Arbeitsgruppenberichte bildete P. Fischer (Köln), der die Highlights aus seiner 2009 abgeschlossenen Dissertation zur mittel- und jungquartären Relief- und Bodenentwicklung der nordwestlichen Kölner Bucht vorstellte.
Die Ganztagsexkursion am 15. Mai führte zunächst in den Buntsandstein-Spessart. Dort stellte H.-R. Bork und A. Kranz (Kiel) bei Heimbuchenthal neueste Ergebnisse zur subrezenten und aktuellen Erosionsdynamik am Beispiel des „Gullies“ Kirschgraben vor. Auf einer Wanderung von Hausen in Richtung Kleinwallstatt führte Jürgen Jung Profile des dort weit verbreiteten Saprolits vor. In einer aufgelassenen Klebsandgrube konnte ein 5 m mächtiges Saprolit-Profil begutachtet werden, das eine deutliche periglaziale Überprägung im oberen Abschnitt aufweist. Auf einer aktuellen Grabung am alten Schloss in Kleinwallstatt wurden archäopedologische Aspekte der Anlage diskutiert. Susann Müller und Heinrich Thiemeyer (Frankfurt) präsentierten Ergebnisse zur Pedostratigraphie und Mikromorphologie an Lössen und Lössderivaten an der Schwedenschanze bei Mömlingen im fränkischen Odenwald. Die im dortigen Buntsandstein vorkommenden Hohlformen sind vermutlich auf Tektonik zurückzuführen und fungieren als Sedimentfallen. In den dort auch vorhandenen spät- bis hochglazialen Lössen sind Humuszonen und Parabraunerden entwickelt. Durch mikromorphologische Analysen konnte Susann Müller spätglaziale und holozäne Tonverlagerungsphasen nachweisen.
Auf der Halbtagsexkursion am 16. Mai führten Rainer Dambeck und Heinrich Thiemeyer an den Standorten in Wattenheim (OLMOR Kieswerk) und Hessenaue (Kiesgrube Seemann) Reliktböden auf alt- und mittelholozänen Rheinmäandern in der nördlichen Oberrheinebene vor. Der Schwerpunkt lag hierbei auf der Genese von Tschernosemen in (ehemaligen) Auenstandorten.
Anfang Juni 2011 wird die nächste Jahrestagung auf Einladung von Wolfgang Zech in Bayreuth stattfinden.
Peter Kühn, Tübingen & Birgit Terhorst, Würzburg
Die 35. Hauptversammlung der Deutschen Quartärvereinigung fand Anfang September zusammen mit dem 12. Treffen der INQUA PeriBlatic Working Group in Greifswald statt. Mit über 180 Teilnehmern aus 17 Ländern sowie sieben voll ausgebuchten Exkursionen war die Tagung schon zu Beginn einer voller Erfolg. Dank Reinhard Lampe (Greifswald) und seinem engagiertem Team haben die Teilnehmer eine bestens organisierte Tagung mit herausragendem Programm und spannenden Exkursionen erlebt.
Traditionell begann die Tagung mit Vorexkursionen. Reinhard Lampe führte zusammen mit Michael Naumann (Hannover) die Teilnehmer auf die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Am Hohen Ufer bei Ahrenshoop wurde ein spätglaziales Seebecken mit Till des weichselzeitlichen Mecklenburger Stadiums, Fließerden, Silikatmudden aus der ältesten Dryas bis Allerød, „Heidesand“ aus der jüngeren Dryas mit Podsol-Gley aus dem Atalanikum sowie im Top des Aufschlusses eine Kliffranddüne diskutiert. Thomas Leipe (Warnemünde) vom Institut für Ostseeforschung Warnemünde demonstrierte am nächsten Stopp einige hoch aufgelöste Sedimentkerne aus dem Ostseebecken, welche die Geschichte der Ostsee der letzten 10000 Jahre zeigte. In Alt-Darß und Neu-Darß konnte den Exkursionsteilnehmern eindrucksvoll die jüngste, dynamische Entwicklung des Raums gezeigt werden, die durch starke Erosion und Akkumulation im Küstenbereich gekennzeichnet wird. Abschließend wurden noch Konzepte zum Hochwasser- und Küstenschutz vorgestellt.
Der Westteil der Mecklenburgischen Seenplatte war das Ziel einer von Sebastian Lorenz (Greifswald) sehr engagiert geführten Exkursion. Das vielseitige Programm bot einen guten Einblick in die holozäne Gewässernetzentwicklung, die eng mit der Landnutzungsgeschichte verbunden ist. Der erste Exkursionspunkt führte zu einem Kliffabschnitt bei Meschendorf, wo in Folge des Küstenrückgangs Ablagerungen eines fossilen Seebeckens angeschnitten wurden. Das gut untersuchte Profil setzt mit spätglazialem Beckensand ein, der von aquatischen, semiterrestrischen und terrestrischen Bildungen überlagert wird und damit eine detaillierte paläohydrologische Rekonstruktion für diesen Landschaftsabschnitt ermöglicht. Die Auswirkungen der stark wechselhaften hydrologischen Bedingungen auf die Landschaftsentwicklung durch den Wechsel von eiszeitlichen zu warmzeitlichen Bedingungen und die intensive anthropogene Einflussnahme wurden an weiteren Exkursionspunkten im Mildenitz-Durchbruchstal und am Krakower See gezeigt. Der Abschluss der Exkursion führte in die Sandgrube Charlottenthal, in welcher der Übergangsbereich des sub- und inglazialen Schmelzwassersystems zur proglazialen Zone aufgeschlossen ist. Neben gut untersuchten Bereichen gab es auch einige neue Aufschlüsse, die Raum für interessante Diskussionen boten.
Am Abend wurde im Pommerschen Landesmuseum von Jan Harff (Warnemünde) der öffentliche Vortrag zum Thema „Nacheiszeitliche Entwicklung des südlichen Ostseeraumes: in 15.000 Jahren vom Eisstausee zum Brackwassermeer“ gehalten. Nach verschiedenen Grußworten wurde dann die Tagung offiziell mit einem Empfang im Museum eröffnet.
In den beiden folgenden Tagen fand die Vortragsveranstaltung der Tagung statt. In den Räumen der Universität Greifswald wurden über 50 Themen in zwei Parallelsessions sowie über 60 Poster präsentiert. Schwerpunkte der einzelnen Vortragsblöcke waren u.a. die Glazial- und Periglazialmorphologie, Seesedimente als hochauflösende Geoarchive, Geochronologie und Stratigraphie, das weichselzeitliche Eisschild und Paläoumwelt, Küsten- und Schelfgeologie, die spätpleistozäne und holozäne Paläohydrologie sowie Paläoumweltstudien in Eurasien. Im Anschluss an die Mitgliederversammlungen der DEUQUA und der INQUA PeriBaltic Working Group stand das Conference-Dinner auf dem Programm, das den Teilnehmern die Gelegenheit gab sich ausführlich mit alten und neuen Bekannten auszutauschen und Themen weiter zu vertiefen.
In den beiden folgenden Tagen fanden noch fünf Nachexkursionen statt. Unter der Leitung von Ralf-Otto Niedermayer (Güstrow) wurden die seit mehr als 100 Jahren untersuchten quartären Aufschlüssen und Landformen auf der Halbinsel Jasmund, Nordost-Rügen, besucht. Der erste Stopp auf dem Tempelberg Bobbin, mit 161 m die höchste Erhebung Rügens, diente der generellen Orientierung und Ansprache der Geomorphologie, vor allem einer Serie von als Stauchendmoränen gedeuteten Abfolge von subparallelen Rücken, die zwei Eisvorstoßrichtungen anzeigten, jeweils von NNW und SSE. Am zweiten Stopp war die erste Gelegenheit, die Komplexität der Sedimente genauer zu betrachten gegeben. Am Standort Glowe wurden z.T. von den Erstbearbeitern dieses Kliffaufschlusses mehrere subglaziale Sedimentabfolgen vorgestellt und sedimentologisch in mehreren Kleingruppen auf die Stichhaltigkeit bzgl. des heutigen Kenntnisstandes kritisch und kontrovers diskutiert. Insbesondere die aktuellsten Aufnahmen von Michael Kenzler (Greifswald) über die pleistozänen Sedimente in diesem Gebiet und ihre Altersstellung erweckten reges Interesse. Bei einem anschließenden Stopp in der Ortschaft Lome wurde ein Kliffabschnitt besucht, von dem im Frühjahr 2005 ein 100.000 m3 großer Teil abbrach und ein Haus mitriss. Der folgende Stopp war der klassische Pleistozänstreifen 4, der eine Faltenmulde, die in die berühmten Kreidefelsen eingequetscht ist, repräsentiert. Der letzte Halt am Kliff bei Dwasieden bot ausreichend Gelegenheit, die in einem Vortrag von Sven Lukas (London) bereits vorgestellten aufgeschlossenen Sedimente sowohl kontrovers zu diskutieren, als auch eine erste absolute zeitliche Einschätzung des Sedimentstapels aus subglazialen und proglazialen Sedimenten vorzunehmen. Neueste Datierungen mittels optisch stimulierter Lumineszenz zeigen demnach, dass ein recht mächtiges Sedimentpaket relativ schnelle Oszillationen eines Eisrandes repräsentieren kann, die nicht klimatisch sondern realistischer glazialdynamisch zu erklären sind.
Unter der Führung von Andreas Buddenbohm (Neubrandenburg) fand eine Exkursion in das Gebiet des Geoparks Mecklenburgische Eiszeitlandschaft statt. Erster Stop war der morphologisch auffällige Rühlower Os, dessen Genese ausführlich diskutiert wurde. Die Vorstellungen zur Genese der Tollense-Rinne als subglaziale Rinne, die während des Elster-Glazials angelegt wurde, stellte Klaus Granitzki (Neubrandenburg) vor. Ein interessantes Eem-Profil wurde am Aufschluss Hinterste Mühle bei Neubrandenburg vorgestellt. Ein weiteres Ziel der Exkursion war die pommersche Hauptendmoräne in der Feldberger Geotop-Landschaft. In diesem Gebiet gibt es einige bis zu 30 m tiefe Hohlformen in deren Sedimenten die spätglaziale und holozäne Vegetationsentwicklung untersucht worden ist. Zum Abschluss der Exkursion wurde der Findlingsgarten Schwichtenberg besucht. Beim Besuch des Geoparks Mecklenburgische Eiszeitlandschaft darf nicht unerwähnt bleiben, dass trotz durchweg positiver nationaler sowie internationaler Resonanz, der Geowissenschaftliche Verein Neubrandenburg im Sommer 2009 das Geopark-Büro, aufgrund fehlender finanzieller Zuschüsse, schließen musste. Das UNESCO-Label des Geoparks musste somit aufgegeben werden. Trotz auch hoher touristischer Attraktivität wird das in weiten Teilen nicht vorhandene Interesse der Landes- und Regionalpolitik bemängelt.
Die Exkursion zur Insel Usedom wurde von Gösta Hoffmann (Muscat, Oman) geleitet und bot ein überaus abwechslungsreiches wissenschaftliches Programm, das mit Erläuterungen zum Küstenschutz abgerundet wurde. Am ersten Exkursionspunkt, am Steilufer der Halbinsel Gnitz, wurden die pleistozänen Sedimentstrukturen begutachtet, die abschnittsweise durch Deformationen charakterisiert sind. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen versucht der Mensch sich vor Sturmfluten zu schützen. Am Strand von Koserow wurden die verschiedenen Küstenschutzanlagen vorgestellt und das Denkmal des ehemaligen Dorfes Damerow besucht, das durch die schwere Sturmflut 1874 zerstört wurde. Von der Anhöhe des Streckelsberges sind die Wellenbrecher sichtbar, die in 200 m Entfernung von der Küste die Seegangsenergie am Klifffuß reduzieren. Gegen Mittag erreichte die Exkursion den Usedomer Gesteinsgarten am Forstamt Neu Pudagla. Die Wanderung durch die Herkunftsgebiete von über 140 Großgeschieben gab einen umfassenden Einblick in das Spektrum der Geologie Skandinaviens. Mit Blick auf das Oder-Haff wurden die holozäne Entwicklung der Swine-Niederung und die Umweltprobleme im Bereich des Haffs erläutert.
Der inhaltliche Fokus der Exkursion, die von Reinhard Lampe unter Mitwirkung von Wolfgang Janke, Thomas Terberger, Andreas Kotula und Kay Krienke geleitet wurde, war auf die Küsten- und Meeresspiegelentwicklung sowie die mesolithische Besiedelung im Exkursionsgebiet ausgerichtet. An fünf Exkursionspunkten im Westteil der Insel Rügen, in Stralsund sowie am Greifswalder Bodden wurden anhand von eindrucksvollen Aufschlüssen, Pollenprofilen, Datierungen, geophysikalischen Messergebnissen und archäologischen Grabungsbefunden neueste Forschungsarbeiten zur spätglazialen und holozänen Landschaftsentwicklung vorgestellt. Intensiv beleuchtet und diskutiert wurden in diesem Zusammenhang auch die komplexen Wechselwirkungen zwischen Reliefbedingungen, Sedimentationsvorgängen, glazialisostatischen Ausgleichsbewegungen und dem rezenten Anstieg des Meeresspiegels in der südlichen Ostsee. Durch die Verknüpfung von quartärwissenschaftlichen Fragestellungen mit aktuellen Prozessen ist eine spannende und informative Exkursion gelungen, die darüber hinaus auch bestens organisiert war.
Ein absoluter Höhepunkt der DEUQUA2010 war sicherlich die Exkursion zur Greifswalder Oie. Die 0,6 km2 große Insel liegt im Ausgangsbereich des Greifswalder Boddens zur Pommerschen Bucht und wird in 1,5 Stunden per Schiff von Freest angefahren. Die gesamte Insel ist Naturschutzgebiet, so dass an der SE-Seite der Insel die rezenten Küstenabbrüche sehr gute Kliffprofile ergeben. Die Exkursionsleiter Karsten Obst (Güstrow) und Jörg Ansorge (Greifswald) gaben den Teilnehmern einen ausgezeichneten Einblick in den geologischen Aufbau der Greifswalder Oie und in die derzeit laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen. In die stark deformierten pleistozänen Geschiebemergel sind präpleistozäne Schollen eingelagert. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die untereozänen, karbonatisch zementierten Aschetuffe, die als Zementsteine bezeichnet werden. Die Aschen wurden in Zusammenhang mit Riftprozessen vor rund 54 Mio. Jahren im Nordatlantik gebildet. Weiterhin sind auch kreidezeitliche Sedimente in Schollen eingearbeitet. Da die primären Sedimentationsgefüge in den Gesteinen gut zu erkennen sind, werden für die präpleistozänen Gesteine der Greifswalder Oie nur kurze Transportwege angenommen. Große Bedeutung erlangt auch der Fund eines Schulterblatt-Knochens von einem Riesenhirsch, der oberhalb eines saalezeitlichen Geschiebemergels geborgen wurde. Zum Abschluss der Exkursion wurde der 1853-1855 erbaute Leuchtturm sowie die Station Jordsand besucht, in deren Ausstellung die Teilnehmer sich einen guten Überblick über die Fauna und Flora der Insel verschaffen konnten.
Sämtliche Exkursionen sind ausführlich im hervorragend gestalteten Exkursionsführer „Eislandschaften in Mecklenburg-Vorpommern“ erläutert. Der Band kann kostenfrei als PDF oder für 34,- € gedruckt unter www.geozon.info/publikationen bezogen werden.
Bodo Damm, Vechta/Göttingen, Jörg Elbracht, Hannover, Christian Hoselmann, Wiesbaden, Sven Lukas, London & Michael Weidenfeller, Mainz
Am 9. und 10. März 2010 fand am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) in Halle ein Arbeitstreffen zum Thema „Paläoumwelt, Geochronologie und Archäologie der Fundstelle Neumark-Nord“ statt. Zu dieser Veranstaltung geladen hatte das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz (RGZM) (S. Gaudzinski-Windheuser, W. Roebroeks), das die wissenschaftliche Bearbeitung der Paläolith-Fundstelle Neumark-Nord (Becken NN2) seit 2006 gemeinsam mit dem LDA leitet. In die geologisch-paläontologische Bearbeitung des Aufschlusses ist seit 2003 auch eine vom Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt koordinierte Arbeitsgruppe (S. Wansa) involviert. Ziel des Treffens war ein umfassender Austausch und eine breite Diskussion der vielfältigen neuen Untersuchungsergebnisse.
Das 1985 von M. Thomae (Halle) entdeckte und nachfolgend unter Leitung von D. Mania (Jena) wissenschaftlich bearbeitete Interglazialbecken Neumark-Nord 1 (NN1) stand insbesondere wegen außergewöhnlich umfangreicher Funde von Wirbeltier-Skeletten und der umstrittenen stratigraphischen Einstufung seiner warmzeitlichen Ablagerungen schon bald im Blickpunkt der „Quartär-Community“. Nachdem das Becken NN1 durch den Braunkohlenabbau bereits teilweise devastiert war, stieß D. Mania 1995 auf ein weiteres Paläoseebecken (NN2), das er ebenfalls dokumentierte und dessen wissenschaftliche Bearbeitung er bis zur Übernahme durch das RGZM leitete. Die Anlage beider, im Hangenden der Saale-Grundmoräne (Zeitz-Phase, Drenthe-Stadium) befindlichen Becken geht auf Braunkohlendiapirismus zurück (M. Thomae).
Nach der vielfach publizierten Darstellung von D. Mania (und Arbeitsgruppe) sollte das Becken NN1 eine mittelpleistozäne, intrasaalezeitliche Warmzeit repräsentieren, während in NN2 zwei weitere, durch eine fragliche Warthe-zeitliche Kaltphase getrennte Warmzeiten nachgewiesen seien, von denen die jüngere dem Eem entspräche. Bereits 1994 hatte T. Litt (Bonn) aufgrund neuer palynostratigraphischer Befunde und durch eine kritische Bewertung der Argumente Manias die Ablagerungen von NN1 in die Eem-Warmzeit gestellt, was durch nachfolgende Untersuchungen von K. V. Kremenetski bestätigt wurde. Im Rahmen einer Exkursion der Subkommission Quartär der Deutschen Stratigraphischen Kommission am 27.06.2008 nach Neumark-Nord sind neue Untersuchungsergebnisse vorgestellt worden, die zeigen, dass im Becken NN2 nur eine Warmzeit – das Eem – ausgebildet ist. Zudem konnte vor allem anhand der Pollenprofile (Seifert, Litt, Kremenetski, Strahl) die Gleichaltrigkeit der Becken NN1 und NN2 sehr wahrscheinlich gemacht werden (siehe GMit Nr. 33, September 2008: 57–58).
Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass das Arbeitstreffen in Halle – neben umfangreichen neuen Erkenntnissen zur Archäologie der Fundstätte – auch einen klärenden Abschluss der Stratigraphie-Debatte ermöglichte. Dafür waren insbesondere die übereinstimmenden Ergebnisse der physikalischen Altersbestimmungen an Material aus NN1 und NN2 (M. Krbetschek, T. Schüler, D. Richter, J. Wallinga, K. Britton, K. Penkman) sowie die Auseinandersetzung mit den Pollenprofilen (C. Bakels, J. Strahl) maßgebend. Wichtig war auch die kritische Diskussion der klimatostratigraphischen Relevanz sedimentologischer und verschiedener paläontologischer Untersuchungsergebnisse (Makroflorenreste, Großsäuger). Im Ergebnis gilt nunmehr die Isochronie der Beckensedimente von NN1 und NN2 sowie ihre Einordnung in die Eem-Warmzeit als erwiesen.
Als weiterführende Arbeiten zu Neumark-Nord wurde eine Feinkonnektierung beider Beckenfolgen auf der Basis der Pollenzonierung angeregt (S. Gaudzinski-Windheuser). Zudem lassen ein neuer Tagesaufschluss und Bohrungen im näheren Umfeld von NN2 weitere limnische Beckenfüllungen zwischen Braunkohlendiapiren erwarten (E. Brühl, M. Thomae).
Den Veranstaltern vom RGZM (S. Gaudzinski-Windheuser, W. Roebroeks) und vom LDA (H. Meller, V. Dresely, S. Friederich) gebührt Dank und Anerkennung für die engagierte Organisation der Veranstaltung, die im Vorfeld einer bedeutenden Sonderaustellung des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle stattfand. Unter dem Titel „Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa“ werden vom 26.3–3.10.2010 die spektakulären Skelettfunde von Neumark-Nord im paläoökologischen Kontext präsentiert.
Stefan Wansa, Halle/Saale & Jaqueline Strahl, Cottbus
Subkommission Quartär der Deutschen Stratigraphischen Kommission
Foto: Profilaufnahme im Becken Neumark-Nord 2 am 28.03.2007, Foto: Stefan Wansa.
Wie schon in Gmit Heft 35 berichtet, bildet die Weiterentwicklung der Zeitschrift E&G derzeit einen der Schwerpunkte der Arbeit des DEUQUA-Vorstandes.
Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass der Manuskript-Eingang derzeit nicht mehr als zwei qualitativ hochwertige Hefte pro Jahr zulässt. Das Heft 1/2009 und 2/2009 (DEUQUA-Tagung 2008 in Wien) konnten bzw. können erst 2010 erscheinen.
Um der Zeitschrift neuen Schwung zu geben, sind eine Reihe von Neuerungen teils schon erfolgt, teils geplant, die insbesondere darauf zielen, die internationale Verbreitung der Zeitschrift über das Internet zu fördern und die Zeitschrift für die Leser - und daraus folgend auch für potentielle Autoren - attraktiver zu machen. Die Zeitschrift befindet sich aktuell in einem Prozess der Modernisierung und Professionalisierung. Dies betrifft vor allem die zügigere Verfügbarkeit der angenommenen Artikel in pdf-Form sowie die Internet-Präsenz und, damit verbunden, die Gestaltung einer ansprechenden E&G-Homepage. Eine weitere geplante Neuerung ist die Einrichtung eines elektronischen Systems zur Einreichung und Begutachtung der Beiträge. Wie schon im Weihnachtsbrief berichtet, wurde vor dem Hintergrund dieser beabsichtigten Modernisierung nach reiflicher Überlegung ein Wechsel von der Schweizerbart’schen Verlagsbuchhandlung zu Geozon Science Media ab dem 1. Januar 2010 beschlossen. Geozon Science Media ist ein neuer Publikationsservice für Geo- und Umweltwissenschaften, der sowohl Print- als auch Online-Dienstleistungen umfasst.
Eine gute Gelegenheit, einen breiten internationalen Leserkreis auf die modernisierte E&G aufmerksam zu machen, bietet der INQUA-Kongress 2011 in Bern. Es ist daher geplant, auf dem Kongress einen aktuellen E&G-Band vorzustellen, der Beiträge zum ‚State of the Art’ aus verschiedenen Bereichen der Quartärforschung in Deutschland enthält. Ein Aufruf zur Einreichung von Manuskripten für diesen besonderen Band wurde Anfang des Jahres an alle DEUQUA-Mitglieder per E-Mail gerichtet.
Zudem wird eine Aufnahme der Zeitschrift in den Science Citation Index angestrebt. Dieses Bestreben kann nur dann Erfolg haben, wenn die Zeitschrift regelmäßig entsprechend gute Beiträge vorweisen kann. Daher möchten wir nicht nur im Hinblick auf den Sonderband zum INQUA-Kongress, der sicher besondere Beachtung finden wird, sondern auch allgemein dafür werben, Manuskripte in E&G einzureichen
Am 17. Dezember 2009 verstarb Professor Dr. habil. Heinz Kliewe im hohen Alter von fast 92 Jahren in Greifswald.
Er wurde am 15. Januar 1918 in Rieth (östlich Ueckermünde) geboren und besuchte das humanistische Gymnasium im pommerschen Stargard, um anschließend (1939/40) an der Berliner Universität ein Mathematik- und Physikstudium aufzunehmen. Nach einer schweren Kriegsverletzung im Jahre 1942 setzte er 1943/44 sein Studium an der Posener Universität fort, um es nach Kriegsende in Greifswald abzuschließen. In diese erste Greifswalder Phase fallen 1951 unter Professor Reinhard die Promovierung zum Dr. rer. nat. mit einer Arbeit zu den Klimaregionen Mecklenburgs sowie seine 1957 vorgelegte Habilitationsschrift zur spät- und nacheiszeitlichen Formenentwicklung der Insel Usedom.
Von 1960 bis 1969 war er Direktor des Geographischen Instituts und später des vereinigten Geographischen und Geologischen Instituts der Universität Jena sowie Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Physische Geographie und Quartärforschung und von 1969 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1981 Leiter des Wissenschaftsbereichs Physische Geographie an der Universität Greifswald. In beiden Instituten war er maßgeblich an der Schaffung geowissenschaftlicher Labors beteiligt. Zu seinem Aufgabenspektrum gehörten vor allem umfangreiche Verpflichtungen in Lehre und Forschung inklusive der Betreuung von Lehrerstudenten, Diplomanden und Doktoranden sowie eine umfangreiche Gutachter- und Publikationstätigkeit. Mehrere erfolgreiche Habilitationen gingen aus seiner Schule hervor. Seine Lehr- und Forschungsergebnisse fanden in ca. 140 Veröffentlichungen ihren Niederschlag.
Besonders großen Wert legte Heinz Kliewe auf nationale und internationale Forschungs-kooperation. Seine Forschungsschwerpunkte bildeten in Greifswald die Glazialmorphologie und die Küstenforschung sowie in Jena Fragen zur Fluss- und Talentwicklung im Mittelgebirgsvorland, zum Periglazial sowie besonders zum Binnenholozän. Einen großen Teil seiner stets knapp bemessenen Zeit investierte Heinz Kliewe in wissenschaftliche Ehrenämter. Er war Mitglied des Quartärkomitees der DDR, der Deutschen Akademie der Naturforscher „Leopoldina“ und langjähriges Mitglied des Redaktionskollegiums der Zeitschrift „Petermanns Geographische Mitteilungen“.
Auf internationaler Ebene konnte er auf eine ca. 25 Jahre lange Mitgliedschaft in der „Sub-commission on Shorelines of Northwestern Europe“ der INQUA zurückblicken, davon viele Jahre als deren Präsident bzw. Vizepräsident. Des Weiteren war er über ca. zwei Jahrzehnte hinweg Mitglied der INQUA-„Commission for the study of Holocene“ bzw. ihrer eurosibirischen Subkommission. Von 1971 bis 1989 leitete er die bilateralen Arbeitstagungen DDR/VR Polen zu Fragen des Jungquartärs und dessen Nutzung. Mit diesen schufen er und Professor Galon (Toruń, Polen) ein zu jener Zeit noch einmaliges Gremium der interdisziplinären Zusammenarbeit von Wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen zur Erforschung nicht nur geowissenschaftlicher Fragestellungen. Beteiligt waren außer Geographen und Geologen vor allem Archäologen, Boden- und Moorkundler, Geochronologen, Küstenforscher und Limnologen, Geo- und Paläobotaniker, Geoökologen und Vertreter des Naturschutzes. Hohe Verdienste erwarb er sich durch die Entwicklung von über mehrere Jahrzehnte hinweg die geowissenschaftliche Forschung mitbestimmenden Konzepten, z. B. zum System der Marginalzonen Norddeutschlands und zur holozänen Ostsee-Entwicklung.
Auch nach seiner Emeritierung im Jahre 1981 war Heinz Kliewe bis an sein Lebensende wissenschaftlich aktiv und in viele Publikationsvorhaben eingebunden. Leider konnte er das Erscheinen der Neuauflage des Bandes „Die Deutsche Ostseeküste“ aus der Reihe „Sammlung geologischer Führer“, für die er seinen Anteil schon abgeschlossen hatte, nicht mehr miterleben.
Für seine Leistungen in Lehre und Forschung wurde Heinz Kliewe mehrfach geehrt, unter anderen mit der Hermann-Haack-Medaille der Geographischen Gesellschaft der DDR, der Verdienstmedaille der Universität Toruń und der Albrecht-Penck-Medaille der DEUQUA.
Heinz Kliewe war für uns, die wir ihn ein Stück auf seinem wissenschaftlichen Lebensweg be-gleiten konnten und ihn auch persönlich näher kannten, ein äußerst gewissenhafter und bescheidener sowie engagiert, beharrlich und präzis arbeitender Kollege, der sowohl zu fordern als auch zu fördern verstand. Er setzte sich mit viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Anliegen seiner Mitarbeiter und Studenten ein. Wir werden ihn und seine jahrzehntelange Weggefährtin und Helferin, Hildegard Kliewe, stets in dankbarer Erinnerung behalten.
Wolfgang Janke, Klaus-Dieter Jäger, Reinhard Lampe, Ralf-Otto Niedermeyer
Foto: Heinz Kliewe
Vom 1. - 4.10.2009 traf sich am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck eine Gruppe von vorwiegend österreichischen Experten, die sich mit Bergstürzen befassen. Neben universitären und außeruniversitären Forschern nahmen
auch Vertreter der Angewandten Geologie an einem Workshop mit dem Titel 'Rockslide Days! Wenn Berge stürzen' teil.
Das viertägige Programm begann mit einem Vortragstag, der verschiedenste Aspekte der Bergsturzforschung beleuchtete. Das Spektrum der Vortrags-Themen reichte von Risiko-Abschätzung und genauen Fallstudien verschiedener Bergstürze, über Disposition und Kinematik, zu Computer-Simulationen und der Frage, mit welchen Methoden sich das Alter früherer Bergstürze bestimmen lässt. Im Weiteren wurden auch sogenannte 'Langsame Massenbewegungen' behandelt, wobei ganze Berghänge glücklicherweise nur langsam zu Tal gleiten. Die Vorträge richteten sich vor allem an Studenten und interessierte Laien und wurden sehr gut besucht. Schon zu Beginn des Workshops zeigte sich die Vielgestaltigkeit dessen, was unter dem Wort Bergsturz verstanden wird.
Bei bestem Wetter wurden dann an drei Exkursionstagen Bergstürze in der weiteren Umgebung von Innsbruck besucht. Ziele des ersten Tages waren der Tschirgant Bergsturz und der Fernpass Bergsturz. Am zweiten Exkursionstag ging es dann Richtung Süden, zu den Bergstürzen von Obernberg, Pfitsch und Ridnaun. Zum Abschluss der Veranstaltung durchstreiften die Teilnehmer die Ablagerungen des Pletzachkogel Bergsturzes im Tiroler Unterinntal.
Obwohl es in den Alpen eine Vielzahl von Bergstürzen gibt, ist die Art und Weise, wie sich die gewaltigen Felstrümmermassen oft beeindruckend weit in den Tälern ausbreiten, immer noch unzureichend geklärt. Diese Frage ist eine 'Spielwiese' für physikalische Computer-Simulationen, die jedoch stets mit Gelände-Beobachtungen an Bergsturz-Ablagerungen überprüft werden müssen. Lebhafte Diskussionen während der drei Exkursionstage rückten gerade die Frage nach der Fortbewegungsweise immer wieder ins Zentrum.
Weitere Informationen unter: www.uibk.ac.at/geologie/cra
Marc Ostermann, Innsbruck
Foto 1: Exkursionsteilnehmer auf einem künstlich aufgeschlossenen Tomahügel des Bergsturzes im Obernbergertal
Foto 2: Abbruchgebiet Tschirgant Bergsturz (Oberinntal)
ch. Am 4.12.2009 hat sich der Vorstand der DEUQUA zu einer Sitzung in Würzburg getroffen, zu der Birgit Terhorst in das Institut für Geographie eingeladen hatte.
Beitrag soll nun kurz über Themenschwerpunkte berichtet werden.
Das Hauptaugenmerk der Arbeiten liegt derzeit auf der Weiterentwicklung von Eiszeitalter und Gegenwart (Quaternary Science Journal) über die in einem separaten Beitrag ausführlich berichtet wird.
Die DEUQUA wird sich mit einer wissenschaftlichen Sitzung unter der Leitung von Margot Böse zum Thema „Mensch – Klima – Umwelt im Quartär“ an der GeoDarmstadt2010 beteiligen.
Die Firma Geozon Science Media hat die Neugestaltung der DEUQUA Homepage übernommen. Seit Ende 2009 sind die neuen Seiten unter www.deuqua.de bzw. www.deuqua.org im Netz. Dort sind auch ausführliche Informationen zur kommenden DEUQUA-Tagung im September 2010 in Greifswald eingestellt. Eine Online-Anmeldung ist möglich. Auch ein Antrag auf DEUQUA-Mitgliedschaft kann online gestellt werden.
Weitere Themen der Vorstandssitzung waren künftige DEUQUA-Tagungen sowie die 2011 in Bern stattfindende INQUA. Weiterhin wurde von Stefan Wansa berichtet, dass in die DEUQUA-Bibliothek an der Universitäts- und Landesbibliothek in Halle/Saale Bücher aus dem Nachlass von Helmut Müller aufgenommen wurden. Nähere Informationen zu den beiden Bibliotheksbeständen der DEUQUA in Halle wie auch zu den Nutzungsmöglichkeiten wurden ausführlich im GMIT Heft 29 erläutert.
Über die Arbeiten des DEUQUA Vorstandes wird ausführlich auf der Mitgliederversammlung am 15.9.2010 im Rahmen der Greifswalder Tagung berichtet, zu der an dieser Stelle schon einmal herzlich eingeladen wird.
Arno Semmel feierte am 5.8.2009 seinen 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass fand eine viertägige Jubiläumsexkursion mit Arno Semmel als Ehrengast vom 5.10. – 8.10.2009statt, die unter der Leitung von Jürgen Heinrich und Heinrich Thiemeyer
von Mitarbeitern und Studierenden der Geographischen Institute der Universitäten in Leipzig und Frankfurt am Main ausgerichtet wurde. Mit dieser Exkursion wurde der Geomorphologe und Bodengeograph, Lehrer und Kollege Arno Semmel, der einen großen Teil seines Lebens forschend „im Gelände“ verbracht hat, und der die deutsche Geomorphologie maßgeblich geprägt hat, von Schülern und deren Schülern gewürdigt. Die Geländearbeit nimmt bei Arno Semmel einen hohen Stellenwert ein, in seiner eigenen Forschung wie in der Wissensvermittlung. Was wäre an Stelle eines sonst üblichen Festkolloquiums treffender gewesen, als eine Hommage auf den akademischen Lehrer ebendort im Gelände stattfinden zu lassen. Im Fokus der Exkursion stand die Erforschung des oberflächennahen Untergrundes, ein Thema, mit dem Arno Semmel sich nunmehr schon seit über 50 Jahren beschäftigt. Die vorgestellten Geländebefunde präsentierten neue Erkenntnisse (dem Verlauf der Exkursion folgend) aus Hessen, Bayern, Thüringen und Sachsen. Schwerpunkte bilden zwei Dissertationsprojekte sowie Standorte, die in jüngeren Forschungsprojekten oder in der Studierendenausbildung an den Instituten in Frankfurt am Main und in Leipzig eine Rolle spielen.
Die anregenden Diskussionen im Gelände zeigten, dass der Themenkomplex noch immer aktuell ist. In den letzten Jahrzehnten wurden neue Methoden entwickelt bzw. angewendet und auf das altbewährte Schema bezogen, das sich überwiegend des Analogieschlusses bedient. Zunehmend lassen sich jedoch zahlreiche Einzeluntersuchungen nicht mehr in das vergleichsweise einfache Schema (vgl. AG Boden 2005) einpassen. Somit blieb die Erkenntnis nicht aus, dass Forschungsergebnisse aus verschiedenen Regionen Deutschlands hinsichtlich des Modells der Deckschichtengenese nicht immer zur Deckung gebracht werden können. Offene Fragen bei der Erforschung der Deckschichten betreffen z. B. die im Periglazialraum sicher vorhandene Landschaftsdiversität, die eine Varianz neu gebildeter Lagen zur Folge hat, aus der sich Parallelisierungsprobleme ergeben können, die Alterseinstufung der periglaziären Lagen, das noch nicht geklärte Phänomen der Schicht-Horizont-Koinzidenzen, das Vorkommen so genannter „Phäno-Parabraunerden“, Erkenntnisdefizite hinsichtlich der Formung und Überformung der Hauptlage, deren relativ gleichmäßige Mächtigkeit bis hin zur holozänen pedogenen Überprägung.
Dass Arno Semmel die Exkursion genossen hat, ebenso wie die Teilnehmer, ließ sich an den zahlreichen Diskussionen und Gesprächen ablesen, die auch nach ausgefüllten Geländetagen noch bei etlichen Glas Wein bis in die späten Abende hinein geführt wurden.
Heinrich Thiemeyer, Frankfurt a. M.
Foto: Arno Semmel (Foto: Andre Kirchner)
Das Exekutivkomitee der IUGS hat am 29.6.2009 die Beschlüsse der Internationalen Kommission für Stratigraphie der IUGS zur Neudefinition der Basis des Systems Quartär und der Serie Pleistozän ratifiziert.
Danach gilt:
1) Die Basis des Pleistozäns wird tiefer gelegt, so dass das Pleistozän auch die Stufe Gelasium umfasst, die bisher zum Pliozän gehörte. Die Basis des Pleistozäns entspricht der Basis des Gelasiums mit dem GSSP Monte San Nicola.
2) Die Basis des Quartärs stimmt mit der Basis des Pleistozäns und der Basis des Gelasiums überein. Die Neogen-/Quartär-Grenze wird durch den GSSP Monte San Nicola definiert.
Damit wird die Quartärbasis auf 2,58 Millionen Jahre festgelegt (bisher 1,8 Millionen Jahre). Die Beschlüsse sind das Ergebnis jahrelanger Diskussionen über den chronostratigraphischen Status des Quartärs und über die Revision seiner Untergrenze (siehe dazu Beitrag von F. Preusser in GMIT, Heft 28 (Juni 2007), S. 22-23).
Für weiterführende Informationen:
- Episodes, vol. 31, no. 2, June 2008
- www.quaternary.stratigraphy.org.uk
Stefan Wansa, Halle/Saale
Im ausklingenden Pleistozän ereigneten sich im sibirischen Altai-Gebirge Eisstauseeausbrüche, die zu den größten Hochwassern der jüngeren Erdgeschichte zu zählen sind.
Die Ausbruchsflutwelle wies Wassertiefen von bis zu 350 m bei einem Abfluss von rund 10.000.000 m³/s auf und lässt sich damit mit den bekannteren Eisstauseeausbrüchen des Lake Missoula im Nordwesten der USA vergleichen. Unverkennbare Spuren der Ausbrüche in Form von mehrere hundert Meter mächtigen Schotterkörpern in lokalen Talweitungen, Auskolkungen, fluviale Kiesdünen und Seesedimente weisen noch heute im Gelände auf die Ereignisse in den Flusstäler von Tschuja und Katun - beides Quellflüsse es Ob - hin.
Im Rahmen eines Geländeworkshops / Exkursion soll beginnend am 1. August 2010 Gelegenheit gegeben werden, eigene Eindrücke der Spuren des Extrem-Hochwassers zu sammeln und gemeinsam mit Kollegen vor Ort zu diskutieren. Die Gruppe von bis zu 15 Teilnehmern wird von Novosibirsk aus 14 Tage lang den Spuren der Hochwasser folgend bis in den Bereich des Eisstausees an der Grenze zur Mongolei reisen. Die Fahrt erfolgt in geländetauglichen Bussen, übernachtet wird in Zelten. Die Teilnehmer sollten eigene Ausrüstung (Zelt, Schlafsack) mitbringen, das Kochen und logistische Belange werden vom Begleitteam erledigt.
Randdaten:
· 1.-14.8.2010 (+ individuelle An-/Abreise Novosibirsk, International Airport)
· min. 5 - max.15 Wissenschaftler der Geowissenschaften und Nachbardisziplinen
· eigene Zeltausrüstung erforderlich
· Umgangssprache während der Reise ist Englisch
·
Kosten: max. 1000 € / 1500 US-$ (+ Flüge + Übernachtungen in Novosibirsk),
beinhalten sämtliche sonstigen Kosten (Fahrt, Verpflegung, Getränke) und reduziert sich bei ausreichender Teilnehmeranzahl
· wissenschaftliche Leitung: Dr. Pavel Borodavko (Geographie Universität Tomsk / Russ. Akademie der Wissenschaften); Prof. Dr. Jürgen Herget (Geographie Universität Bonn)
Für weitere Fragen stehen:
Pavel S. Borodavko E-Mail: bor@sibmail.com (Russisch + Englisch)
Jürgen Herget E-Mail: herget@giub.uni-bonn.de (Deutsch + Englisch)
gerne zur Verfügung.
In Ergänzung zu Veröffentlichungen und Materialien, die den Teilnehmer vorab ausgehändigt werden, findet sich ein erster Überblick zu den
Eisstauseeausbrüchen im Altai-Gebirge zusammengestellt von K. Lee (2004) unter geology.mines.edu/faculty/Klee/AltaiFlood.pdf
Bei Interesse an der Teilname oder weiteren Fragen wenden Sie sich bitte umgehend (spätestens bis zum 15. April 2010) an die o.g. Ansprechpartner. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu
hören.
Jürgen Herget, Bonn & Pavel Borodavko, Tomsk
Seit einigen Jahren ist das Heidelberger Becken im nördlichen Oberrheingraben Gegenstand intensiver quartärwissenschaftlicher Studien (vgl. Gmit Nr. 27). Ausgangspunkt dieser Arbeiten sind mehrere Forschungsbohrungen, die in Ludwigshafen, Viernheim und Heidelberg in den Jahren 2002-2008 abgeteuft worden sind.
Das außerordentlich interessante Kernmaterial (insgesamt rund 1500 m) wurde und wird von verschiedenen Universitäten, den Geologischen Diensten in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie dem Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik in Hannover wissenschaftlich untersucht.
Die bisher erzielten Ergebnisse waren nun Anlass einen Sonderband des Quaternary Science Journal (Eiszeitalter und Gegenwart; Volume 57. No. 3/4) herauszugeben. Insgesamt acht englischsprachige Artikel sowie eine ausführliche Einführung zum Heidelberger Becken Projekt beinhaltet dieser Band.
Weidenfeller & Knipping beschreiben sedimentologische und paläobotanische Befunde der Bohrungen in Ludwigshafen. Einen Schwerpunkt zur Forschungsbohrung Viernheim bilden die Artikel von Hoselmann und Wedel. Ein Beitrag zur Forschungsbohrung Heidelberg, mit 500 m Endteufe die tiefste Bohrung im Heidelberger Becken Projekt, ist der von Ellwanger et alii. Die geophysikalischen Voruntersuchungen werden von Buness, Gabriel & Ellwanger dargestellt. Die Bohrlochgeophysik verschiedener Bohrungen im nördlichen Oberrheingraben werden von Hunze & Wonik diskutiert. Pollenanalytische Ergebnisse zur unterpleistozänen Waal-Warmzeit werden von Hahne, Ellwanger & Stritzke aus Untersuchen an Sedimenten der Heidelberg Bohrung UniNord vorgestellt. Schließlich befasst sich der Beitrag von Frechen et al. mit Lumineszenz-Datierungen an Sedimenten im südlichen Oberrheingraben. Diese Methode wird auch an Ablagerungen der Forschungsbohrungen im Heidelberger Becken angewandt und bietet methodisch die Möglichkeit fluviatile Sedimentationsalter der letzten 200-300.000 Jahre zu datieren.
Insgesamt ist mit diesem Band ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der quartären Entwicklung des Oberrheingrabens entstanden, der durch seinen interdisziplinären Ansatz besticht und dessen Ergebnisse schon jetzt wichtige Erkenntnisse zur Geometrie sowie zum sedimentologischen und sedimentpetrographischen Aufbau des Heidelberger Beckens erbringen, die auch überregional von großer Bedeutung sind. Wichtig sind auch die tektonische Entwicklung des nördlichen Oberrheingrabens und seiner umgrenzenden Gebiete und die paläoklimatische Entwicklung im Plio- und Pleistozän, die Schwerpunkte weiterer Untersuchungen sein werden.
Die Qualität der Kerne und die verschiedenen Arbeitsansätze lassen somit auch künftig interessante Ergebnisse erwarten.
Die nächsten Bände des Quaternary Science Journal werden freie Themen sowie Beiträge der DEUQUA-Tagung in Wien beinhalten.
Seit dem Siegeszug der Theorie der Plattentektonik (New Global Tectonics) hat sich unser geowissenschaftliches Weltbild gründlich verändert, was auch Folgen für die Terminologie in der Geologie und der Geomorphologie hatte. Für eine der bedeutendsten Großformen der Erde, die nur im Zusammenhang mit der Plattentheorie erklärbar ist, ist aber noch immer kein sinnvoller deutscher Fachbegriff eingeführt worden. Es handelt sich um die eingestülpte Großform des Ozeanbodens, die sich an einer Subduktionszone bildet.
Der englische Begriff „deep sea trench“ wird in vielen deutschsprachigen Lehrbüchern mit „Tiefseegraben“ übersetzt. Nun haben wir selbst gelernt und lehren das auch heute noch unsere Studierenden, dass ein Graben eine Form der Dehnungstektonik ist. Divergenz charakterisiert hier die Bewegungsabläufe. Im Falle der Subduktionszone haben wir es aber mit einer konvergierenden Plattengrenze und folglich mit Konvergenz zu tun. Die englische Fachsprache kennt neben dem Terminus „rift“ auch den aus dem Deutschen übernommenen Begriff „graben“, aber kein Engländer oder Amerikaner käme auf die Idee, von einem „deep sea graben“ zu sprechen. Der deutsche Begriff „Tiefseegraben“ ist also geeignet, Verwirrung zu schaffen.
Einige Autoren (z.B. Eisbacher 1991, S. 245; Brückner 1995, S. 74; Press & Siever 2003, deutsche Ausgabe) haben daher im Deutschen den Begriff „Tiefseerinne“ vorgeschlagen. Der Begriff „Rinne“ erzeugt aber bei einem Geomorphologen Assoziationen, die dem Prozess der Bildung eines „deep sea trench“ widersprechen: Eine Rinne wird im deutschen geomorphologischen Sprachgebrauch allgemein mit dem Prozess fluvialer, linearer Erosion verknüpft, auch wenn bei Murrinnen oder subglazialen Rinnen auch andere als fluviale Prozesse beteiligt sein mögen, die aber auf jeden Fall erosiv und linear wirken. Derartige (lineare) Erosionsprozesse scheiden aber für die Genese einer „Tiefseerinne“ aus. Die Übersetzung von „deep sea trench“ mit „Tiefseerinne“ bleibt also auch unbefriedigend. Offenbar hatte auch W. Zeil bei seiner Neubearbeitung von „Brinkmanns Abriß der Geologie“ (1990) Bedenken gegen „Tiefseerinne“ und nannte die fragliche Großform „Tiefseegesenke“ (S. 265). Dieser etwas altertümlich klingende Begriff hat sich aber nicht verbreitet.
Lässt sich eine griffige deutsche Übersetzung des englischen Begriffes „trench“ finden, die nicht bereits in der deutschen geomorphologischen Terminologie belegt ist? Diese Prämisse erfüllt laut Wörterbüchern (z.B. Cassels Wörterbuch Englisch–Deutsch, LEO online-Wörterbuch Englisch-Deutsch http://dict.leo.org/?lp=ende&lang=de&agent=firefox-de&search=%s ) der deutsche Begriff „Furche“. Zwar gibt Watznauer (1982) als englische Übersetzung für „Furche“ u. a. „furrow“ an, wobei umgekehrt für „furrow“ die breite Spanne deutscher Übersetzungen „Furche, Graben, Rinne, Rille, Abflussrinne, Wanne, Einsenkung“ (sic!) genannt wird. In einschlägigen deutschsprachigen Lehrbüchern der Geomorphologie bzw. der Physischen Geographie (Machatschek 1952, Panzer 1965, Louis & Fischer 1979, Wilhelmy 1984, Bremer 1989, Ahnert 1996, Hendl & Liedtke 1997, Strahler & Strahler 1999, Zepp 2002, Leser 2003, Baumhauer 2006) taucht aber der Begriff „Furche“ im Index nirgends auf. Es darf daher davon ausgegangen werden, dass der Begriff „Furche“ im Sprachgebrauch der deutschen Allgemeinen Geomorphologie mit keiner anderen, nicht kompatiblen Bedeutung belegt ist. Weiterhin ist die Bedeutung des Begriffes in der deutschen Sprache recht weit gefasst und schließt keine enge genetische Verknüpfung ein, er wird vielmehr beschreibend im Sinne einer Hohlform gebraucht, gleich ob diese durch Aushub, Einwölbung oder sonst wie entstanden ist. Dennoch wurde der Begriff in der regionalen Geomorphologie durchaus bereits im Sinne der tektonischen Geomorphologie gebraucht. Interessant erscheinen im Zusammenhang mit der gesuchten sinnvollen Übersetzung von „deep sea trench“ Hinweise in Wikipedia:
„Eine Furche ist abstrakt gesehen eine linienhafte Vertiefung und einer Rinne ähnlich. Neben der primären Bedeutung für den Ackerbau ist die Furche in der Mythologie, im Grundstückswesen und im übertragenen Sinne auch in der Geomorphologie bedeutsam…In der Geomorphologie wird als Furche ein Talzug mit mehreren verlaufenden Flusstälern bezeichnet. Beispielhaft genannt sind die Mur-Mürz-Furche (Österreich) oder die Neretva-Bosna-Furche (Bosnien und Herzegowina).“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Furche , Zugriff 9.1.09).
Gerade der letzte Satz des Zitats – viele weitere Beispiele ließen sich anführen – spricht für eine Assoziation des bisherigen regionalgeomorphologischen Gebrauchs des Begriffes „Furche“ mit Prozessen und Großformen an einer Suturzone oder an Grenzen von tektonischen Decken. Es erscheint daher nahe liegend, die geomorphologische Bedeutung der „Furche“ auch auf die Großform „deep sea trench“ an einer Subduktionszone – Vorläufer einer Suturzone – auszudehnen.
Daher schlagen wir vor, den Begriff „deep sea trench“ in Zukunft nur noch mit „Tiefseefurche“ ins Deutsche zu übersetzen!
Man mag einwenden, dass die Ersetzung etablierter Begriffe (wie „Tiefseegraben“ oder „Tiefseerinne“) neue Verwirrung bei Fachwissenschaftlern und besonders bei Studierenden hervorruft. Dieses Argument sollte aber angesichts der oben genannten Einwände gegen die etablierten Begriffe in den Hintergrund treten. Die breite Bedeutung des deutschen Wortes „Furche“ in vielen Lebensbereichen ist eine günstige Voraussetzung für die Einführung des Fachbegriffes „Tiefseefurche“. Der möglichen Verwirrung kann entgegengewirkt werden, indem
a) künftig alle Autoren und Verleger deutschsprachiger Geomorphologie-Lehrbücher konsequent darauf achten, nur noch „Tiefseefurche“ zu verwenden, und
b) die Einführung des Fachterminus „Tiefseefurche“ in einer Veröffentlichung mit großer Verbreitung im deutschsprachigen Raum erfolgt. Diese Voraussetzung ist z. B. mit Gmit bestens erfüllt.
Literaturhinweise:
Ahnert, F. (1996): Einführung in die Geomorphologie. – Stuttgart.
Baumhauer, R. (2006): Geomorphologie. – Darmstadt.
Bremer, H. (1989): Allgemeine Geomorphologie. – Berlin, Stuttgart.
Brinkmanns Abriß der Geologie, Bd. 1 (1990): 14. Aufl. neu bearb. von W. Zeil. Stuttgart.
Brückner, H. (1995): Die Entstehung der Ozeane. – Geogr. Rdsch. (1995), H. 2: 75-81.
Eisbacher, G.H. (1991): Einführung in die Tektonik. Stuttgart.
Hendl, M. & Liedetke, H. (Hrsg., 1997): Lehrbuch der Allgemeinen Physischen Geographie. – Gotha.
Leser, H. (2003): Geomorphologie. – Braunschweig.
Louis, H. & Fischer, K. (1979): Allgemeine Geomorphologie. – Berlin, New York.
Machatschek, F. (1952): Geomorphologie. – Leipzig.
Panzer, W. (1965): Geomorphologie. – Braunschweig.
Press, F. & Siever, R. (2003): Allgemeine Geologie. – Heidelberg-Berlin (Spektrum).
Strahler, A.H. & Strahler, A.N. (1999): Physische Geographie.- Stuttgart.
Watznauer, A. (1982): Wörterbuch Geowissenschaften. – Berlin.
Wilhelmy, H. (1981): Geomorphologie in Stichworten (3 Bde.). – Verlag F. Hirt.
Zepp, H. (2002): Geomorphologie – eine Einführung. – Paderborn.
Ludwig Zöller & Ulrich Hambach, Bayreuth
Das Wehntal im schweizerischen Kanton Zürich erstreckt sich nördlich des östlichsten Ausläufers des Faltenjuras, im Übergang zum Tafeljura. In der Gemeinde Niederweningen wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert spektakuläre Mammutreste entdeckt, so dass diese Lokalität schon bald zur bedeutendsten Mammutfundstelle der Schweiz wurde.
Die Entdeckung eines Mammutskeletts im Juli 2003 und weiterer interessanter Reste von Mammut, Kleinsäugern, Fröschen, Insekten und Pflanzen im April 2004 hat diese Fundstelle wieder ins Interesse der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gerückt. Auf Grund des großen Interesses der Medien sowie der lokalen und regionalen Bevölkerung ergriff der Verein für Ortsgeschichte Niederweningen die Initiative für eine natur- und kulturgeschichtliche Ausstellung in der Nähe des Fundortes. Mit einer eindrücklichen Spendenaktion und fachlicher Unterstützung durch die Universität und die Kantonsarchäologie Zürich konnte bereits am 1. Oktober 2005 eine modern gestaltete Ausstellung im ersten Mammutmuseum der Schweiz eröffnet werden (www.mammutmuseum.ch).
Bisherige geologische Untersuchungen in und rund um die Fundstellen haben ergeben, dass im Wehntal eine weit unter den heutigen Talboden reichende Rinne im Molassefels existiert, die hauptsächlich mit See- und Moorablagerungen gefüllt ist. Aus den neuen Studien im Bereich der Mammut-Fundstelle Niederweningen ist bekannt, dass die in 4–5 m Tiefe liegende Torfschicht mit den Mammutfunden vor 45.000–70.000 Jahren im mittleren Abschnitt der letzten Eiszeit in einem verlandenden See abgelagert wurde. Eine weitere Torfschicht in 10–12 m Tiefe entstand wahrscheinlich in der letzten Zwischeneiszeit vor etwa 120.000 Jahren. Hingegen waren Mächtigkeit, Zusammensetzung und Alter der darunter liegenden See- und wohl auch Moränenablagerungen, die aus einer (oder mehreren?) früheren Eiszeiten des mittleren Pleistozäns stammen müssen, nicht genau bekannt.
Im nördlichen Schweizerischen Alpenvorland ist eine ganze Reihe von glazialen Becken vorhanden, welche mehrere hundert Meter unter das aktuelle Vorflutniveau reichen (Abbildung 1). Ihre Entstehungsgeschichte sowie ihr lithostratigraphischer Inhalt sind nur zum Teil bekannt. Das Wehntal befindet sich hinsichtlich der Erforschung dieser glazialen Beckenfüllungen in einer einzigartig günstigen Position. Es liegt außerhalb der Maximalausdehnung der Gletscher der letzten Eiszeit und wurde nicht glazial ausgeräumt. Auch von glazifluvialer Erosion ist die Beckenfüllung weitgehend verschont geblieben. Von diesen Voraussetzungen her lässt diese Lokalität also eine einzigartig vollständige Erhaltung der vor dem letzteiszeitlichen Maximalvorstoß entstandenen Beckensedimente erwarten.
Die vertiefte Erforschung der Eiszeitgeschichte des Wehntals und die Gewinnung von paläoklimatischen Erkenntnissen ist das Ziel eines seit 2007 laufenden Forschungsprojektes. Das von der Stiftung Mammutmuseum Niederweningen initiierte Projekt wird durch Spenden von verschiedensten Institutionen und Firmen aber auch von Privaten finanziert. Seit Kurzem liegt zudem eine Mittelzusage vom Schweizerischen Nationalfonds vor.
Das Forschungsprojekt umfasst zwei Kernbohrungen, seismische Untersuchungen sowie eine ausgedehnte interdisziplinäre Untersuchung der erbohrten Sedimente. Im Jahr 2007 wurde im Nahbereich der bisherigen Fundstellen eine erste, 30 m tiefe Kernbohrung abgeteuft. Diese ergab neben einer weitgehenden Bestätigung der bisherigen Kenntnisse zum Schichtaufbau erstmals Sedimentmaterial für eine moderne wissenschaftliche Bearbeitung dieses Abschnittes. Somit steht fest, dass die untere Torfschicht am Ende der letzten Warmzeit entstand.
2008 wurde eine Reflexionsseismik-Kampagne ausgeführt, welche das Ziel hatte, den groben Aufbau der Sedimentfüllung des glazialen Beckens im Wehntal zu erkunden (Abbildung 2) und außerdem die Grundlagen für die Festlegung des Standortes der zweiten Kernbohrung zu liefern. Diese sollte dort abgeteuft werden, wo eine möglichst vollständige Abfolge von feinkörnigen Seeablagerungen bis auf die Felsunterlage erwartet werden konnte. Daneben musste auch verhindert werden, dass die Bohrung eine der bekannten, artesisch gespannten Grundwasser führenden Kiesschichten innerhalb der Beckenfüllung erfasste.
Mit zwei gezielt angesetzten Spülbohrungen wurden im Februar 2009 die Resultate der geophysikalischen Untersuchungen verifiziert, damit die Tiefenlage der Felsoberfläche und der grobe Aufbau der zu erwartenden Sedimente für die optimale Planung der Kernbohrung bekannt waren. Im März 2009 wurde die Kernbohrung ausgeführt und erfolgreich bis auf die Felsoberfläche in rund 90 m Tiefe abgeteuft. Die Kernausbeute beträgt praktisch 100 %. Es wurden keine nennenswerten Grundwasservorkommen angetroffen. In den kommenden Monaten werden nun die Kerne dokumentiert, beprobt und sedimentologisch analysiert. Vorgesehen sind Datierungen mittels OSL (Optisch stimulierte Lumineszenz), palynologische Analysen sowie Untersuchungen von Samen und Käfern.
Hans Rudolf Graf, Baden (Schweiz)
Abbildung 1: Lage des Untersuchungsgebietes, Verbreitung von glazialen Becken in der Nordschweiz, Maximalstände der letzten Eiszeit und des Eiszeitalters insgesamt.
Abbildung 2: Geologischer N-S-Schnitt durch das Wehntal, ca. 2 Kilometer östlich des Standortes der zweiten Kernbohrung
Literatur Mammut-Fundstelle Niederweningen (ab 2004)
Coope, R. 2007: Coleoptera from the 2003 excavations of the mammoth skeleton at Niederweningen, Switzerland. Quaternary International 164–165, 130–138.
Drescher-Schneider, R., Jacquat, C., Schoch, W. 2007: Palaeobotanical investigations of the mammoth site of Niederweningen (Kanton Zürich), Switzerland. Quaternary International 164–165, 113–129.
Furrer, H. 2005: Niederweningen, die bedeutendste Mammutfundstelle der Schweiz – Neufunde und eigenes Mammutmuseum. Bulletin angewandte Geologie 10/2, 61–69.
Furrer, H., Mäder, A. 2008: Mammutmuseum Niederweningen. Eine natur- und kulturgeschichtliche Ausstellung. Stiftung Mammutmuseum Niederweningen, 87 S.
Furrer, H., Graf, H.R., Mäder, A. 2007: The mammoth site of Niederweningen, Switzerland. Quaternary International 164–165, 85–97.
Hajdas, I., Bonani, G., Furrer, H., Mäder, A., Schoch, W. 2007: Radiocarbon chronology of the mammoth site at Niederweningen, Switzerland: Results from dating bones, teeth, wood, and peat. Quaternary International 164–165, 98–105.
Mäder, A. 2004: Das Mammut-Museum in Niederweningen – ein natur- und kulturhistorisches Projekt von überregionaler Bedeutung. Archäologie der Schweiz 27, 30–34.
Preusser, F., Degering, D. 2007: Luminescence dating of the Niederweningen mammoth site, Switzerland. Quaternary International 164–165, 106–112.
Tütken, T., Furrer, H., Vennemann, T.W. 2007: Stable isotope compositions of mammoth teeth from Niederweningen, Switzerland: Implications for the Late Pleistocene climate, environment and diet. Quaternary International 164–165, 139–150.
Ehrenmitglied der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft 1993 – 2009.
Professor Dr. Helmut Stremme verstarb im Alter von 93 Jahren an seinem Geburtstag, dem 26. Februar 2009, im Kreise seiner vier Kinder nach einem erfüllten Leben. Mit ihm verliert die deutsche Quartärforschung ein fachlich und kollegial herausragendes, langjähriges Mitglied.
Helmut Erhard Heinrich Stremme wurde am 26.02.1916 als Sohn des Bodenkundlers und Geologen Hermann Stremme und Antonie Stremme, geb. Teuber, in Danzig geboren. Nach seinem Abitur im Jahre 1934 studierte er das Fach Geologie an den Universitäten in Freiburg, Danzig und Münster, das er 1939 mit der Dissertation über die Geologie des Eggegebirges abschloss. Während des Krieges war er als Wehrgeologe in Nordfrankreich, Belgien und Osteuropa tätig. Von 1945 bis 1951 war er Mitarbeiter im Geologisch- Paläontologischen Institut der Universität Heidelberg.
Geprägt durch seinen Vater Herrmann Stremme in Danzig befasste sich Helmut Stremme als ausgebildeter Geologe schon früh in seinem wissenschaftlichen Leben mit der Entstehung, den Eigenschaften und der Verbreitung von Böden und gründete 1949 zusammen mit anderen Bodenkundlern die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft neu. Im Jahre 1951 habilitierte er sich an der Universität Münster für das Fach Geologie mit einer Arbeit über Bodenentstehung und Mineralbildung im Neckarschwemmlehm der Rheinebene. Neben der Darstellung der physikalischen, chemischen und mineralogischen Eigenschaften repräsentativer Böden wurden von ihm als erster Tonminerale in den Böden röntgenographisch nachgewiesen, die später als Illite bekannt wurden. Im Jahre 1951 wechselte Helmut Stremme an die Landesanstalt für Geologie, das spätere Geologische Landesamt Schleswig-Holsteins in Kiel und war zunächst als Bodenkartierer und später als Leiter der bodenkundlichen Abteilung tätig. Bis 1970 veröffentlichte er zahlreiche Bodenkarten. Darüber hinaus erweiterten seine bodengenetischen Forschungsarbeiten zur Entwicklung der Marschen und Grundwasserböden, der Parabraunerden unter Ackernutzung und der "Schwarzerden" der Insel Fehmarn die Kenntnisse über die Böden Schleswig-Holsteins. Im Jahre 1970 wurde er Direktor des Landesamtes, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1981 blieb. Helmut Stremme war zeitweilig Vorsitzender der Konferenz der Direktoren der Geologischen Landsämter und arbeitete auch an den ersten beiden Auflagen der bundesweiten Bodenkundlichen Kartieranleitung mit. Von 1961 bis 1981 führte er einen Lehrauftrag für Bodenkunde mit Lehrveranstaltungen zur Bodengeographie an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Kieler Universität durch und wurde zum außerplanmäßigen Professor ernannt.
Seine zahlreichen Verpflichtungen als Direktor des Landesamtes hielten ihn jedoch nicht von der aktiven Forschung zur Paläopedologie ab, insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Gliederung eiszeitlicher Ablagerungen in Norddeutschland. Eigenes Hauptforschungsgebiet in dieser Zeit waren die interstadialen- und interglazialen Paläoböden der schleswig-holsteinischen Moränen- und Sanderlandschaften. Sein Name ist vor allem mit der "Treene-Warmzeit" verbunden, die er aufgrund der starken Unterschiede in der Verwitterung der Moränen zwischen den Drenthe- und Warthe-Stadien der Saaleeiszeit vermutete.
Die Pensionierung 1981 war für ihn kein Anlass, sich dem wohlverdienten Ruhestand hinzugeben. Im Gegenteil: Gesegnet durch eine gute Gesundheit und ein hohes Maß an Lebensfreude und Kreativität, übernahm er die Leitung des Arbeitskreises "Paläopedologie" der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, den er über einen Zeitraum von 15 Jahren prägte. Bei den jährlichen Arbeitskreistagungen, die er stets persönlich leitete, weckte er vor allem bei vielen Studierenden und Jungwissenschaftlern mit seiner Fachkenntnis und Begeisterung das Interesse für die Paläopedologie. Er war der erste, dem es gelang, noch bevor es das Bundesbodenschutzgesetz forderte, eine Kiesgrubenwand mit seltenen Paläoböden unter Schutz stellen zu lassen, damit dieses naturhistorische Dokument der Nachwelt erhalten bleibe. Darüber hinaus begab sich Helmut Stremme auf quartärstratigraphische Spurensuche in ganz Mitteleuropa zwecks einer Klärung der Saale-Gliederung. Dazu führte er zwei DFG-Vorhaben zur Datierung und Korrelation von Paläoböden erfolgreich durch. Wissenschaftlich innovativ und für die Quartärgeologie wegweisend waren die von ihm mit Physikern und Geowissenschaftlern angewandten und z.T. weiterentwickelten Methoden zur numerischen Altersbestimmung von Sedimenten, aus denen sich das Alter der daraus gebildeten Böden abschätzen ließ. Die Etablierung der Lumineszenz-Datierung quartärer Sedimente in Deutschland ist untrennbar mit seinem Namen und seinem Engagement verbunden. Wenngleich die Existenz eines echten Interglazials zwischen Drenthe- und Warthe-Stadium bisher nicht schlüssig bewiesen ist, zog Helmut Stremme aus dieser Vision und den quartärgeologisch noch nicht beantworteten Fragen die Kraft und Beharrlichkeit, um an den Beweisen für seine Hypothesen zu arbeiten. Für seine Verdienste wurde er von der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft im Jahre 1993 zum Ehrenmitglied ernannt. Helmut Stremme war sehr kommunikativ und stets bestrebt, seine Forschungsergebnisse mitzuteilen. Er genoss es auf DEUQUA-Tagungen zu sein und stellte sich hier stets freimütig den Diskussionen und den divergierenden Ansichten um die Stratigraphie der Saaleeiszeit.
Helmut Stremme bleibt als pflichtbewusster, fürsorglicher, umfassend gebildeter, auch im heftigen wissenschaftlichen Disput um Ausgleich bemühter Forscher und Lehrer, Kollege und Freund, den Mitgliedern der Deutschen Quartärvereinigung unvergessen.
Peter Felix-Henningsen, Gießen & Ludwig Zöller, Bayreuth
Am 03. Februar 2009 wäre Ernst Schönhals 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass luden die Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde und das Institut für Bodenkunde und Bodenerhaltung der Justus-Liebig-Universität zu Gießen zu einem Festkolloquium ein, auf dem Ernst Schönhals auch als Quartärforscher gewürdigt werden sollte.
Zweifellos wird niemand bestreiten wollen, dass eine solche Würdigung überfällig war, genügt doch bereits ein Blick auf Eiszeitalter und Gegenwart, dem Jahrbuch der Deutschen Quartärvereinigung, um zu erfahren, dass Ernst Schönhals nicht nur Vorsitzender dieser Vereinigung war (1964-1965), sondern dass er auch auf dem INQUA-Kongress 1973 in Christchurch (Neuseeland) zum Vizepräsidenten der INQUA gewählt wurde. Noch mehr Beachtung verdient wohl, dass er gemeinsam mit Reinhold Huckriede (Marburg) als Schriftleiter Eiszeitalter und Gegenwart von 1968-1978 betreut hat.
Vielen Quartärforschern wird dennoch Ernst Schönhals vor allem als Lössforscher in Erinnerung sein. Die Beziehung zum Löss gewann er sicher über seine von W. Klüpfel betreute Dissertation zur Geologie der westlichen Wetterau. Das Interesse am Löss wurde vertieft durch die anschließende Tätigkeit in der Reichsbodenschätzung und an der Preußischen Geologischen Landesanstalt. Sogar auf den jüngsten Endmoränen Rügens wurde Löss gefunden! Doch den eigentlichen Schwerpunkt Schönhalsscher Lössforschung bildete die Gliederung des Würmlösses, der er sich intensiv in Hessen annahm, nachdem er 1947 als Bodenkundler an das neu geschaffene Hessische Landesamt für Bodenforschung in Wiesbaden gelangte. Ohne Übertreibung darf man wohl sagen, dass seine Feingliederung des jüngsten Lösses neue grundlegende Impulse in der Lössstratigraphie gegeben hat. Das bezeugt etwa der Aufsatz im ersten Band von Eiszeitalter und Gegenwart (1951).
Die darauf folgende, manchmal harte, Diskussion ging Ernst Schönhals nicht aus dem Wege. Er vertrat seine Auffassung mit Entschiedenheit und Klarheit, er war kein "Kumpeltyp". Gleichwohl konnte er auf Menschen zugehen und diese für sich gewinnen. Begeisternd waren seine Lössexkursionen, die durch ihre methodische Subtilität faszinierten. Das Gießener Institut durfte sich glücklich schätzen, ihn nach seinem Dienst an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover als Kuron-Nachfolger für den Bodenkunde-Lehrstuhl gewonnen zu haben. Damit kehrte der in Merlau im Vogelsberg geborene Hesse in seine Heimat zurück und widmete sich ganz besonders einem von ihm im Vogelsberg entdeckten Boden, der Lockerbraunerde.
Nichtsdestotrotz: Sein Lebenswerk endete mit einer großen Monographie über die hessischen Lösse (Boden und Landschaft, 8, Gießen). Ernst Schönhals blieb ein Sterben erspart wie es Friedrich Schiller anklingen lässt: "...so mancher schloss die Augen schwer und öffnet sie dem Licht nicht mehr...". Ernst Schönhals starb am Abend des 29. Mai 1993, nachdem er verschiedenen Mitarbeitern noch telefonisch mitgeteilt hatte, dass er sich sehr freue, soeben die letzten Korrekturfahnen der Löss-Monographie durchgesehen und zum Druck gegeben zu haben. So ein Tod ist wahrlich nicht jedem vergönnt!
Arno Semmel, Hofheim am Taunus