Forschungsprojekt Eiszeiten und Klimawandel im Wehntal (Kanton Zürich, Schweiz)

Das Wehntal im schweizerischen Kanton Zürich erstreckt sich nördlich des östlichsten Ausläufers des Faltenjuras, im Übergang zum Tafeljura. In der Gemeinde Niederweningen wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert spektakuläre Mammutreste entdeckt, so dass diese Lokalität schon bald zur bedeutendsten Mammutfundstelle der Schweiz wurde.

Die Entdeckung eines Mammutskeletts im Juli 2003 und weiterer interessanter Reste von Mammut, Kleinsäugern, Fröschen, Insekten und Pflanzen im April 2004 hat diese Fundstelle wieder ins Interesse der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gerückt. Auf Grund des großen Interesses der Medien sowie der lokalen und regionalen Bevölkerung ergriff der Verein für Ortsgeschichte Niederweningen die Initiative für eine natur- und kulturgeschichtliche Ausstellung in der Nähe des Fundortes. Mit einer eindrücklichen Spendenaktion und fachlicher Unterstützung durch die Universität und die Kantonsarchäologie Zürich konnte bereits am 1. Oktober 2005 eine modern gestaltete Ausstellung im ersten Mammutmuseum der Schweiz eröffnet werden (www.mammutmuseum.ch).

Bisherige geologische Untersuchungen in und rund um die Fundstellen haben ergeben, dass im Wehntal eine weit unter den heutigen Talboden reichende Rinne im Molassefels existiert, die hauptsächlich mit See- und Moorablagerungen gefüllt ist. Aus den neuen Studien im Bereich der Mammut-Fundstelle Niederweningen ist bekannt, dass die in 4–5 m Tiefe liegende Torfschicht mit den Mammutfunden vor 45.000–70.000 Jahren im mittleren Abschnitt der letzten Eiszeit in einem verlandenden See abgelagert wurde. Eine weitere Torfschicht in 10–12 m Tiefe entstand wahrscheinlich in der letzten Zwischeneiszeit vor etwa 120.000 Jahren. Hingegen waren Mächtigkeit, Zusammensetzung und Alter der darunter liegenden See- und wohl auch Moränenablagerungen, die aus einer (oder mehreren?) früheren Eiszeiten des mittleren Pleistozäns stammen müssen, nicht genau bekannt.

Im nördlichen Schweizerischen Alpenvorland ist eine ganze Reihe von glazialen Becken vorhanden, welche mehrere hundert Meter unter das aktuelle Vorflutniveau reichen (Abbildung 1). Ihre Entstehungsgeschichte sowie ihr lithostratigraphischer Inhalt sind nur zum Teil bekannt. Das Wehntal befindet sich hinsichtlich der Erforschung dieser glazialen Beckenfüllungen in einer einzigartig günstigen Position. Es liegt außerhalb der Maximalausdehnung der Gletscher der letzten Eiszeit und wurde nicht glazial ausgeräumt. Auch von glazifluvialer Erosion ist die Beckenfüllung weitgehend verschont geblieben. Von diesen Voraussetzungen her lässt diese Lokalität also eine einzigartig vollständige Erhaltung der vor dem letzteiszeitlichen Maximalvorstoß entstandenen Beckensedimente erwarten.

Die vertiefte Erforschung der Eiszeitgeschichte des Wehntals und die Gewinnung von paläoklimatischen Erkenntnissen ist das Ziel eines seit 2007 laufenden Forschungsprojektes. Das von der Stiftung Mammutmuseum Niederweningen initiierte Projekt wird durch Spenden von verschiedensten Institutionen und Firmen aber auch von Privaten finanziert. Seit Kurzem liegt zudem eine Mittelzusage vom Schweizerischen Nationalfonds vor.

Das Forschungsprojekt umfasst zwei Kernbohrungen, seismische Untersuchungen sowie eine ausgedehnte interdisziplinäre Untersuchung der erbohrten Sedimente. Im Jahr 2007 wurde im Nahbereich der bisherigen Fundstellen eine erste, 30 m tiefe Kernbohrung abgeteuft. Diese ergab neben einer weitgehenden Bestätigung der bisherigen Kenntnisse zum Schichtaufbau erstmals Sedimentmaterial für eine moderne wissenschaftliche Bearbeitung dieses Abschnittes. Somit steht fest, dass die untere Torfschicht am Ende der letzten Warmzeit entstand.

2008 wurde eine Reflexionsseismik-Kampagne ausgeführt, welche das Ziel hatte, den groben Aufbau der Sedimentfüllung des glazialen Beckens im Wehntal zu erkunden (Abbildung 2) und außerdem die Grundlagen für die Festlegung des Standortes der zweiten Kernbohrung zu liefern. Diese sollte dort abgeteuft werden, wo eine möglichst vollständige Abfolge von feinkörnigen Seeablagerungen bis auf die Felsunterlage erwartet werden konnte. Daneben musste auch verhindert werden, dass die Bohrung eine der bekannten, artesisch gespannten Grundwasser führenden Kiesschichten innerhalb der Beckenfüllung erfasste.

Mit zwei gezielt angesetzten Spülbohrungen wurden im Februar 2009 die Resultate der geophysikalischen Untersuchungen verifiziert, damit die Tiefenlage der Felsoberfläche und der grobe Aufbau der zu erwartenden Sedimente für die optimale Planung der Kernbohrung bekannt waren. Im März 2009 wurde die Kernbohrung ausgeführt und erfolgreich bis auf die Felsoberfläche in rund 90 m Tiefe abgeteuft. Die Kernausbeute beträgt praktisch 100 %. Es wurden keine nennenswerten Grundwasservorkommen angetroffen. In den kommenden Monaten werden nun die Kerne dokumentiert, beprobt und sedimentologisch analysiert. Vorgesehen sind Datierungen mittels OSL (Optisch stimulierte Lumineszenz), palynologische Analysen sowie Untersuchungen von Samen und Käfern.

Hans Rudolf Graf, Baden (Schweiz)

 

 

Abbildung 1: Lage des Untersuchungsgebietes, Verbreitung von glazialen Becken in der Nordschweiz, Maximalstände der letzten Eiszeit und des Eiszeitalters insgesamt.

 

Abbildung 2: Geologischer N-S-Schnitt durch das Wehntal, ca. 2 Kilometer östlich des Standortes der zweiten Kernbohrung

 


Literatur Mammut-Fundstelle Niederweningen (ab 2004)

 

Coope, R. 2007: Coleoptera from the 2003 excavations of the mammoth skeleton at Niederweningen, Switzerland. Quaternary International 164165, 130138.

 

Drescher-Schneider, R., Jacquat, C., Schoch, W. 2007: Palaeobotanical investigations of the mammoth site of Niederweningen (Kanton Zürich), Switzerland. Quaternary International 164165, 113129.

 

Furrer, H. 2005: Niederweningen, die bedeutendste Mammutfundstelle der Schweiz – Neufunde und eigenes Mammutmuseum. Bulletin angewandte Geologie 10/2, 61–69.

 

Furrer, H., Mäder, A. 2008: Mammutmuseum Niederweningen. Eine natur- und kulturgeschichtliche Ausstellung. Stiftung Mammutmuseum Niederweningen, 87 S.

 

Furrer, H., Graf, H.R., Mäder, A. 2007: The mammoth site of Niederweningen, Switzerland. Quaternary International 164165, 8597.

 

Hajdas, I., Bonani, G., Furrer, H., Mäder, A., Schoch, W. 2007: Radiocarbon chronology of the mammoth site at Niederweningen, Switzerland: Results from dating bones, teeth, wood, and peat. Quaternary International 164165, 98105.

 

Mäder, A. 2004: Das Mammut-Museum in Niederweningen – ein natur- und kulturhistorisches Projekt von überregionaler Bedeutung. Archäologie der Schweiz 27, 3034.

 

Preusser, F., Degering, D. 2007: Luminescence dating of the Niederweningen mammoth site, Switzerland. Quaternary International 164165, 106112.

 

Tütken, T., Furrer, H., Vennemann, T.W. 2007: Stable isotope compositions of mammoth teeth from Niederweningen, Switzerland: Implications for the Late Pleistocene climate, environment and diet. Quaternary International 164165, 139150.