Die 30. Jahrestagung der AG Paläopedologie der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, die auch das Interesse vieler DEUQUA-Mitglieder fand, wurde in diesem Jahr vom 2. - 4. Juni in Bayreuth durchgeführt. Die hervorragende Organisation, der reibungslose Ablauf und eine äußerst angenehme Arbeitsatmosphäre sind Wolfgang Zech und Ludwig Zöller mit ihren Teams unter Beteiligung von Andreas Peterek, Ulrich Hambach und Bruno Glaser zu verdanken.
Auf der Sitzung des AGPp am 2. Juni im Geozentrum der Universität Bayreuth stellte nach einem kurzen Rückblick auf die letztjährige Tagung in Frankfurt/M. von P. Kühn (Tübingen), Daniela Sauer (Dresden) Aktivitäten der ‚International Palaeopedology Commission‘ vor.
Als zentraler Punkt der Arbeitsgruppensitzung standen in diesem Jahr die Neuwahlen der Vorsitzenden auf der Tagungsordnung. Einstimmig wurden Birgit Terhorst (Würzburg) zur Vorsitzenden und Heinrich Thiemeyer (Frankfurt/M.) zum stellvertretenden Vorsitzenden der AGPp ab 2012 gewählt. Die Wahl muss noch auf der Vorstandsitzung der DBG im Herbst in Berlin bestätigt werden.
Die diesjährigen Berichte aus den Arbeitsgruppen waren innovativen Methoden in der CO2-Modellierung sowie in der paläoklimatischen Forschungsrichtung gewidmet. R. Zech (Zürich), Y. Huang und M. Zech stellten in ihrem Bericht: „The role of long-term carbon sequestration in permafrost soils revealed by compound-specific dD analyses“ die Relevanz von Permafrostböden für globale Klimamodelle zum Kohlenstoffkreislauf vor. B. Buggle (Bayreuth), U. Hambach, L. Zöller, M. Kehl, S.B. Marković und B. Glaser rekonstruierten mit Multiproxydaten einen Niederschlagsrückgang bei veränderter Saisonalität der letzten 700.000 Jahre in Südosteuropa. M. Zech (Bayreuth), M. Tuthorn, B. Buggle und B. Glaser zeigten mit δ18O-Analytik an pflanzenbürtigen und mikrobiellen Zuckern einen neuen Proxy für paläoklimatische Arbeiten. Im letzten Bericht aus den Arbeitsgruppen stellten S. Rass, M. Zech, B. Buggle, M. Löscher und L. Zöller erste Ergebnisse zur Rekonstruktion der Paläovegetation mit n-Alkanen als Lipid-Biomarkern.
Die Ganztagsexkursion am 3. Juni umfasste das Thema „Tertiäre Verwitterungsreste im Fichtelgebirge und in der Nördlichen Oberpfalz“ und führte zunächst nach Schweinsbach. Dort wurde ein Aufschluss in einem schluffreichen Sediment gezeigt, in dem sich über einem Fersiallit ein Braunerde-Podsol in periglazialen Lagen entwickelt hat. Schwerpunkt der weiteren Exkursionsstandorte waren die Ergebnisse tertiärer Verwitterung in Schirnding (Kaolingrube mit Braunkohle) und Seedorf (reliktischer Pseudogley über fersiallitischem Granitzersatz), der Grube Rappauf bei Tirschenreuth mit einem fossilen Pseudogley-Ferralit aus Granitzersatz. Auf dem Rückweg nach Bayreuth wurde die KTB in Windischeschenbach angefahren.
Auf der Halbtagsexkursion am 4. Juni zum Thema „Quartäre Landschaftsentwicklung und Paläoböden führten Wolfgang Zech, Bruno Glaser und Ludwig Zöller ins Trebgasttal und nach Bindlach. Schwerpunkt lag hierbei auf stratigraphischen Fragen sowie auf Bodenbildungen in den Schwemmfächerablagerungen der Trebgast.
Im Mai 2012 wird die nächste Jahrestagung auf Einladung von Dr. Christian Tinapp und Prof. Dr. Christian Zielhofer in Leipzig stattfinden.
Peter Kühn, Tübingen & Birgit Terhorst, Würzburg
Mitte Mai 2011 hat sich die Subkommission Quartär (SKQ) der Deutschen Stratigraphischen Kommission (DSK) zu ihrer jährlichen Sitzung getroffen. Die Veranstaltung fand dieses Mal im Herzoginnensaal des Schlosses Schöningen statt und wurde von Brigitte Urban (Lüneburg) ausgezeichnet organisiert. Zur Sitzung kamen 28 ordentliche und gewählte Mitglieder sowie Manfred Menning (Potsdam) als Vorsitzender der DSK.
Die Sitzung wurde vom Vorsitzenden der SKQ Stefan Wansa (Halle/Saale) geleitet. Am Anfang gedenken die Sitzungsteilnehmer ihrem verstorbenen Mitglied Prof. Dr. Dr. h. c. Arno Semmel.
Herr Menning stellt den Entwurf zur STDkompakt im Format A5 (beidseitig bedruckt) vor. Die Tabelle basiert auf der Stratigraphischen Tabelle von Deutschland 2002. Als innovatives Element enthält sie ausgewählte Bodenschätze.
Als weiterer Sitzungspunkt berichten einige Teilnehmer über aktuelle Forschungsprojekte. Frau Urban stellt die archäologische Fundstelle Schöningen und Ergebnisse der quartärpaläontologischen Untersuchungen als Einführung zur Exkursion vor. Herr Behre (Wilhelmshaven) berichtet, dass der Band, der alle Vorträge des Workshops zur „Chronologischen Einordnung der paläolithischen Funde von Schöningen“ (2009) beinhalten soll, dieses Jahr erscheint. Herr Meyer (Burgwedel) berichtet von verschiedenen Profilaufnahmen im Tagebau Schöningen. Subrosion spiele für die Bildung der Ablagerungsräume keine Rolle. Aus seiner Sicht gibt es nur warmzeitliche Sedimente aus dem Holstein und dem Eem.
Herr Eißmann (Leipzig) spricht über die Stratigraphie zwischen Elster- und Saalevereisung in Mitteldeutschland und stellt dazugehörige Sedimentabfolgen des mitteldeutschen Raums vor.
Herr Börner (Güstrow) berichtet über Arbeiten der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme an der OPAL-Trasse und über die Beprobung von Großgeschieben für die 10Be-Datierung.
Herr Lauer (Leipzig) spricht über die Infrarot-Radiofluoreszenz-Methode zur Datierung mittelpleistozäner Sedimente und aktuelle Arbeiten und Projekte zum Alter der Elster-Kaltzeit im Typusgebiet Mittel- und Ostdeutschlands.
Herr Richter (Bayreuth) berichtet über verschiedene Verfahren der Lumineszenz-Datierung und ihre mögliche Anwendung auf den Speer-Fundhorizont in Schöningen, neue TL-Alter an Silices und Datierungsversuche an quartären Vulkaniten der Eifel.
Für die Homepage der SKQ – www.deuqua.de/strat – bittet Herr Wansa um aktuelle Beiträge z. B. zu Forschungsvorhaben. Das Lithostratigraphische Lexikon (LithoLex) ist weiterhin ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeiten der SKQ. Derzeit sind 42 Definitionen aus dem Quartär eingestellt. Herr Ellwanger (Freiburg) erläutert das Gliederungskonzept für den südlichen Oberrheingraben und das angrenzende Gebiet des Rheingletschers. Es basiert auf unconformity units und deckt folgende Formationen ab:
Südlicher Oberrheingraben |
Rheingletschergebiet |
Hochrhein |
Breisgau-Formation |
Dietmanns-Formation |
Hochrhein-Deckenschotter-Formation |
Neuenburg-Formation |
Hasenweiler-Formation |
Oberschwaben-Deckenschotter-Formation |
Ortenau-Formation |
Illmensee-Formation |
Rheingletscher-Terrassenschotter-Formation |
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Steinental-Formation |
|
Nach ausführlicher Diskussion wird über die Einheiten positiv abgestimmt, so dass sie nach Einarbeitung der Korrekturvorschläge, zwischenzeitlich in das LithoLex eingestellt werden konnten – vgl. www.bgr.de/app/LithoLex/index.php.
Herr Schirmer (Wolkenstein) stellt ein Konzept zur Gliederung der Nieder- und Mittelrhein Lösse vor. Er definiert dabei folgende Einheiten: Ahrgau-Formation, Brabant-Formation, Hesbaye-Formation und Keldach-Formation. Über das Konzept sowie die Definitionen soll im Rahmen der nächsten Sitzung der SKQ weiter diskutiert werden.
Herr Stephan (Kiel) stellt die revidierten Einheiten (Brandenburg-Formation, Ellund-Formation, Frankfurt (Oder)-Formation, Hennstedt-Formation und Ulzburg-Subformation) aus Norddeutschland vor.
Am zweiten Tag der Sitzung wurde die archäologische Grabung im Tagebau Schöningen besucht, um vor Ort die quartärgeologischen Profile zu diskutieren. Die Führung im Aufschluss erfolgt neben Frau Urban durch die Herren Serangeli (Uni Tübingen), Lang (Uni Hannover) und Lehmann (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover). Herr Serangeli führt ausführlich in die Historie des Tagebaus, die Schichtenfolge und die umfangreichen archäologischen Untersuchungen ein. Herr Lang berichtet über die im Rahmen aktuellen Profilaufnahmen und seismologischen Untersuchungen. In Auswertung der Daten geht er für den Ablagerungsraum von einer elsterkaltzeitlich entstandenen Struktur einer subglazialen Rinne aus. Diese Hohlform wurde anschließend mit elster- und postelsterwarm- und kaltzeitlichen Sedimenten wieder verfüllt. Die Interpretation der seismischen Daten spricht bei den warmzeitlichen Sedimenten am ehesten für deltaische Ablagerungen eines flachen Sees.
Frau Urban und Herr Serangeli erläutern am Übersichtspunkt und im direkten Grabungsbereich nochmals ausführlich die Lithologie der Schichtenfolge, die erarbeiteten Pollendiagramme, sedimentologische Charakteristika und Datierungen und deren Interpretation. Die ausführliche Diskussion behandelt u. a. die Einstufung des überwiegenden Teils der Verlandungsfolge II in die marine Sauerstoffisotopenstufe 9 (MIS 9) aufgrund neuer Th/U Altersbestimmungen und eine mögliche Korrelation mit holsteinzeitlichen Vorkommen vor dem Hintergrund floristischer Abweichungen, Gründe für den erst spät einsetzenden Sedimentationsbeginn unter hochwarmzeitlichen Bedingungen und weitere Varianten zur Beschreibung des Ablagerungsraumes.
Beim hier vorliegenden Text handelt es sich um eine Zusammenfassung des Protokolls, das vom Sekretär der SKQ, Lutz Katzschmann (Weimar), erstellt worden ist.
Christian Hoselmann, Wiesbaden
Die Arabische Halbinsel ist heute überwiegend durch aride Klimabedingungen und ausgedehnte Wüstenregionen geprägt (Abb. 1). Dass dies nicht immer der Fall war belegen Relikte von Seeablagerungen, die an vielen Stellen der Region gefunden wurden und meist in das frühe bis mittlere Holozän datieren (Abb. 2 und 3). Zu dieser Zeit verursachte die Konstellation der Erdbahnparameter eine besonders starke Sonneneinstrahlung auf die Nordhemisphäre während des Sommers, was zu einer nordwärts Verschiebung der innertropischen Konvergenzzone (ITCZ) führte. Dadurch reichte der Einfluss der Sommerniederschläge (Monsun), der heute nur noch einen geringen Effekt im südlichsten Arabien hat, wesentlich weiter nach Norden, wohl zumindest bis an den Südrand des Persischen Golfes. Durch die ausgeprägten Sommerniederschläge entstanden Seen, die zumindest teilweise das ganze Jahr über bestanden. Pflanzen- und Tierüberreste weisen auf Umweltbedingungen hin, wie sie heute in den Savannen Afrikas vorliegen. Archäologische Funde belegen zudem, dass die Arabische Halbinsel zu dieser Zeit von steinzeitlichen Menschen besiedelt war.
Die frühere, pleistozäne Klimageschichte Arabiens ist bis heute weitestgehend unbekannt, was sowohl mit den schwierigen naturräumlichen Bedingungen, der teilweise politisch bedingten begrenzten Zugänglichkeit, als auch durch den Mangel an geeigneten Umweltarchiven in der Region begründet ist. Dabei stellt Arabien eine Schlüsselregion im Zusammenhang mit der Verbreitung des modernen Menschen (Homo sapiens) dar. Nach heutigem Kenntnisstand entwickelte sich der anatomisch moderne Mensch aus dem archaischen Homo sapiens vor etwa 150.000 Jahren in Ostafrika. Neuere Funde belegen seine Präsenz am Westufer des Roten Meeres während des letzten Interglazials vor etwa 125.000 Jahren. In der Vergangenheit wurde überwiegend davon ausgegangen, dass der Mensch dem Lauf des Nils folgte, die Sinai-Halbinsel durchquerte und schließlich in die Levante gelangte, wo Funde des modernen Menschen Alter zwischen 90-120.000 Jahren aufweisen (Abb. 1). Genetische Untersuchungen implizieren jedoch, dass diese Menschen nicht unsere Urahnen sein können und es sich eher um eine endemische Gruppe handelte, die später ausstarb oder sich wieder nach Afrika zurück zog. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass der moderne Mensch spätestens vor 65.000 Jahren in Indien auftauchte und bereits vor etwa 45.000 Jahren Australien besiedelte. Zu dieser Zeit war der Indonesische Archipel weitestgehend festländisch und nur durch relativ schmale Meeresengen von Australien getrennt. Erst vor etwa 40.000 Jahren erschien der moderne Mensch in Europa und die oben vorgestellten Befunde haben die Frage aufgeworfen, ob die Auswanderung aus Afrika wirklich durch die Levante stattfand. Die zweite naheliegende Auswanderungsroute ist über die Bab-al-Mandab (Tor der Tränen), also via die Meeresenge am Südende des Roten Meeres, und von dort weiter durch die Arabische Halbinsel gegen Osten (Abb. 1). Für das Überqueren der Bab-al-Mandab, die während Zeiten der Vergletscherung der mittleren Breiten immerhin noch 10 km breit war, wäre aber der Bau primitiver Boote oder Flöße notwendig gewesen. Auch wäre unter den heutigen Klimabedingungen diese Route sicherlich eine Sackgasse, da sich der frühe Mensch bald mit den unwirklichen Umweltbedingungen des südlichen Arabiens konfrontiert gesehen hätte.
Im Januar 2011 publizieren Armitage et al. (Science 311) jedoch erste Belege für eine Präsenz des frühen Modernen Menschen im östlichen Arabien (Jebel Faya, Vereinigte Arabische Emirate) während des letzten Interglazials. Dieser neue Fund drängt die Frage über die Umweltbedingungen während des Pleistozäns weiter in den Vordergrund. Die Zyklizität der Erdbahnparameter impliziert, dass es auch während des letzten Interglazials in Arabien viel feuchter als heute gewesen sein sollte. Diese Annahme wird durch die Wachstumsphasen von Tropfsteinen in der Vergangenheit belegt, die durch Uran/Thorium Datierungen zeitlich eingegrenzt werden konnten. Gegenwärtig laufen weitere Untersuchungen an fossilen Seeablagerungen in den Wüsten Arabiens, die als erste Ergebnisse eine komplexe Umweltgeschichte dieser Region anzeigen.
Das sich mit diesem Themenkreis beschäftigende Projekt lautet "Climate and environmental changes recorded in Late Quaternary lake deposits in the Arabian Desert" wird vom "Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung" finanziert und endet 2011.
Frank Preusser, Stockholm
Der Sonderforschungsbereich (SFB) 806 wird in Kooperation von Quartärforschern der drei Universitäten Köln, Bonn und Aachen durchgeführt. Die Sprecher sind: Prof. Dr. Jürgen Richter, Prof. Dr. Martin Melles und Prof. Dr. Frank Schäbitz.
Sein übergeordnetes Ziel ist es, komplexe chronologische, regional-strukturelle sowie klimatische, umweltbedingte und soziokulturelle Zusammenhänge von bedeutsamen interkontinentalen und transkontinentalen Ereignissen bei der Ausbreitung des Modernen Menschen von Afrika nach West-Eurasien und im Besonderen nach Europa zu erfassen. Dabei legt der SFB seinen Schwerpunkt auf die Zeitspanne zwischen der Ausbreitung des Modernen Menschen aus Afrika und der Sesshaftwerdung in Zentraleuropa. Diese Zeitspanne umfasst etwa die letzten 190.000 Jahre, also die vorletzte Kaltzeit (Marines Isotopenstadium = MIS 6), den letzten Interglazial-Glazial-Zyklus (MIS 5 bis 2) sowie das Holozän (MIS 1).
Der SFB fokussiert hierbei auf die folgenden drei Themen:
- 1. Thema: Der klimatische, umweltgeschichtliche und kulturelle Kontext der primären Expansion unserer Spezies von Afrika nach Europa – 190.000 bis 40.000 Jahre vor heute
- 2. Thema: Sekundäre Expansionen und Rückzüge unserer Spezies, bedingt durch klimatische, umweltgeschichtliche oder kulturelle Änderungen, z.B. die Wiederbesiedlung des Nahen Ostens während des mittleren Weichselglazials oder von ausgedehnten Teilen Europas nach dem Ende des letzten Kältemaximums, die letztendlich die Verbreitung und Durchsetzung der neolithischen Wirtschaftsweise in ganz Europa zur Folge hatte.
- 3. Thema: Bevölkerungsaustausch, Mobilität und Migration in miteinander verknüpften kulturellen und ökologischen Systemen, hervorgerufen durch den wachsenden Einfluss menschlichen Handelns auf die Umwelt, besonders die Ausbreitung, der Rückzug und die interne Mobilität innerhalb sesshafter prähistorischer Gesellschaften.
Der SFB versucht die Umweltfaktoren zu erforschen, die diese Entwicklungen vorantreiben und wie die Interaktionen mit dem kulturellen System verknüpft sind. Er lenkt den Blick auf Strukturen und Methoden, indem zahlreiche Fallstudien (s. Abb.) in unterschiedlichen Regionen für vergleichende Schlussfolgerungen genutzt werden und letztendlich zu Aussagen auf verschiedenen räumlichen Skalenniveaus führen werden. Dabei sind Aktionen und Reaktionen von Populationen wie Auswanderung, Einwanderung und Akkulturation eingeschlossen. Die relevanten Kräfte müssen, basierend auf dem Vergleich systematisch ausgewählter Fallstudien, als multifaktorielles, nicht immer lineares System von Beziehungen betrachtet werden.
Aktuelle Diskussionen zum Umweltdeterminismus und die Rolle menschlicher Aktivitäten profitieren von erweiterten Perspektiven, die auf Daten langer Zeiträume gründen. Gerade zur Bewertung von Innovationen und Expansionen sowie der Belastbarkeit und Nachhaltigkeit von vor-industriellen kulturellen Systemen können Langzeit-Beobachtungen sehr hilfreich sein. Hierzu wird der SFB-806 wichtige und wissenschaftlich bedeutende Informationen liefern.
Mehr Informationen unter: www.sfb806.uni-koeln.de
Frank Schäbitz, Jürgen Richter, Martin Melles, Köln
Am 10. Oktober 2010 verstarb im Alter von 81 Jahren Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Arno Semmel. Nach dem Studium in Rostock, Ost-Berlin und Frankfurt, wo er 1959 promovierte, war er ab 1960 am damaligen Hessischen Landesamt für Bodenforschung als kartierender Geologe und Bodenkundler beschäftigt. Er definierte für die deutsche Mittelgebirgsregion die erste praktikable Deckschichtengliederung des Ausgangsgesteins der Bodenbildung. Über 50 Jahre hinweg hat ihn dieses Thema begeistert und angetrieben. Im letzten Jahr noch fand zu seinem 80. Geburtstag eine Jubiläumsexkursion mit ihm als Ehrengast zum Thema „Quartäre Deckschichten“ statt. Mit dieser Exkursion wurde der Geomorphologe und Bodengeograph gewürdigt, der einen großen Teil seines Lebens forschend „im Gelände“ verbracht hat.
1969 ging er nach seiner Habilitation an der Universität Frankfurt zunächst als Wissenschaftlicher Rat und Professor an die Universität Würzburg zu Julius Büdel. Bereits 1970 kam er als Professor für Physische Geographie wieder nach Frankfurt zurück. Er hat mehrere Lehrbücher verfasst, z. B. „Geomorphologie der Bundesrepublik Deutschland“ (5. Aufl., Steiner), „Grundzüge der Bodengeographie“ (3. Aufl., Teubner) und „Periglazialmorphologie“ (2. Aufl.) sowie „Relief, Gestein, Boden“ (beide Wiss. Buchges.) und auf diese Weise vielen Studierendengenerationen grundlegende Kenntnisse über die Entstehung unserer Landschaften vermittelt. 1991 trat Arno Semmel in den Vorruhestand ein, aber nur, um sich nun ganz seinen Forschungen widmen zu können, was ihm mit großem Erfolg bis wenige Wochen vor seinem Tod vergönnt war.
Als Wissenschaftler erwarb sich Arno Semmel durch seine zahlreichen Publikationen, Zeitschriftenaufsätze, Buchbeiträge und Lehrbücher zur Quartärgeologie, Lössstratigraphie und Bodengeographie eine sehr hohe fachliche Anerkennung. Insbesondere seine umfangreichen Forschungen zum Wirkungsgefüge der Geofaktoren Gestein, Relief und Boden sind hier besonders hervorzuheben. Neben der Grundlagenforschung hat er es immer verstanden die Praxisrelevanz seiner Forschungsergebnisse herauszustellen und auch Fachfremde in den Bann geowissenschaftlicher Forschung zu ziehen.
Seine profunden Geländekenntnisse haben nicht nur seine Kollegen, sondern immer auch eine große Zahl von Nachwuchswissenschaftlern begeistert. Diese Kenntnisse hat er sich auf zahlreichen Forschungsreisen in die Arktis nach Spitzbergen, Kanada und Nordskandinavien und in die Tropen, Afrika und Lateinamerika, angeeignet. Der regionale Schwerpunkt seiner Arbeiten lag aber eindeutig auf Mitteleuropa. Als richtungweisend sind weiterhin seine Erkenntnisse zur Lössstratigraphie und dabei besonders die Löss-Paläobodenstratigraphie zu nennen, die sich europaweit durchgesetzt haben.
Für seine Leistungen erfuhr Arno Semmel zahlreiche Ehrungen, unter anderem wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg verliehen. Von der DEUQUA wurde er mit der Albrecht-Penck-Medaille ausgezeichnet. Neben seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten hat Arno Semmel sich in vielen Organisationen und Gremien engagiert. Von 1987 – 1989 war er Vorsitzender des VDGH und des Zentralverbandes der deutschen Geographen, zeitweilig als dessen Vertreter im Präsidium der Alfred-Wegener-Stiftung und von 1988 – 1991 Senator der DFG. Er war lange Jahre im Vorstand der Frankfurter Geographischen Gesellschaft und zuletzt deren Ehrenvorsitzender.
Die Wissenschaft verliert mit Arno Semmel einen prominenten Kollegen und namhaften Forscher. Wir sind zutiefst betroffen vom unerwarteten Verlust dieses geschätzten Ratgebers und werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Heinrich Thiemeyer, Frankfurt
ch. Die Subkommission Quartär (SKQ) der Deutschen Stratigraphischen Kommission (DSK) hat sich Ende September 2010 zu ihrer jährlichen Sitzung in Wiesbaden getroffen. Die Besprechung fand in den Räumen des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLUG) statt. Insgesamt haben 16 Mitglieder sowie ein Gast an der Sitzung teilgenommen.
Zum Beginn der Sitzung stellt Herr Hanewald das am HLUG angesiedelte Fachzentrum Klimawandel vor. Er erläutert neben fachlichen Grundlagen vor allem die Aufgaben und die Forschungsschwerpunkte bis hin zur Entwicklung von Anpassungsstrategien.
Im Anschluss gedenken die Sitzungsteilnehmer den verstorbenen Mitgliedern der SKQ Prof. Dr. Dr. hc. Burkhard Frenzel und Prof. Dr. Gerd Lüttig.
Herr Wansa (Halle/Saale), der Vorsitzende der SKQ, verweist nochmals auf die Beschlüsse der ICS zum Beibehalt des Quartärs als chronostratigraphische Einheit und der Verlegung der Quartär/Neogen-Grenze auf 2,58 Mio. Jahre. Weiterhin berichtet er über die letzte DSK-Sitzung in Kassel. Im Rahmen dieser Sitzung wurden u.a. folgende Punkte besprochen:
Am 30.10.2009 fand in Hannover ein Workshop zur „Chronologischen Einordnung der paläolithischen Funde von Schöningen“ statt. Herr Behre (Wilhelmshaven) berichtet, dass alle Vorträge publiziert werden sollen.
Für die Homepage der SKQ werden zur Zeit vom Vorsitzenden Änderungshinweise und neue Informationen gesammelt.
Frau Böse (Berlin) informiert über Ergebnisse zur Datierung von Eisrandlagen im Jungmoränengebiet mittels 14C, OSL (multi und single grain OSL analyses) sowie 10Be.
Herr Richter (Dresden) berichtet über chronostratigraphische Fragen in NW-Afrika, bearbeitet über OSL-Datierungen an archäologischen Fundplätzen.
Frau Urban (Suderburg) erläutert Verbundprojekte zu Fragen der Klimaanpassung. Informationen zu den über fünf Jahre geförderten Projekten können unter www.klimzug.de abgerufen werden.
Herr Katzschmann (Weimar) informiert über die im Raum Voigtstedt laufenden Untersuchungsarbeiten.
Herr Stephan (Kiel) schildert, dass in Norddeutschland Probenahmen und Datierungen für den Grenzbereich Spätsaale/Eem/Frühweichsel gemeinsam mit Herrn Frechen (Hannover) fortgesetzt werden.
Ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeiten der SKQ sind weiterhin die Erstellung von Definitionen für das Lithostratigraphische Lexikon (LithoLex). Herr Hoselmann berichtet zum aktuellen Stand der Arbeiten im nördlichen Oberrheingraben. Vier Vorschläge (Mannheim-, Ludwigshafen-, Viernheim- und Iffezheim-Formation) werden diskutiert und für die Veröffentlichung im LithoLex angenommen.
Herr Doppler (München) erläutert, dass für das bayerische Alpenvorland die bisher gültigen traditionellen Begriffe als informelle Einheiten definiert werden sollen und stellt zwei Beispiele vor. Herr Ellwanger erklärt ausführlich das lithostratigraphische Gliederungskonzept für den südlichen Oberrheingraben und das angrenzende Gebiet des Rheingletschers. Es basiert auf unconformity-units. Insgesamt sieben lithostratigraphische Einheiten werden vorgestellt über die im E-Mail-Umlaufverfahren abgestimmt werden soll.
Die nächste Sitzung der SKQ soll im Frühjahr 2011 in der Region Schöningen stattfinden.
Am zweiten Tag erfolgte eine Exkursion in den Dyckerhoff-Steinbruch in Wiesbaden-Biebrich mit einer ausführlichen Diskussion der Tertiär- und Quartärprofile. Die Führung im Aufschluss erfolgt durch Frau Radtke (HLUG), Herrn Hoselmann, Herrn Keller und Frau Sander (Landesamt für Denkmalpflege). Frau Radtke erläutert Lithologie und Fossilführung der kalktertiären Ablagerungen des Mainzer Beckens einschließlich der litho- und chronostratigraphischen Einstufung sowie der paläogeographischen Situation. Im Aufschluss sind neben der Schichtenfolge (Kalksteine, Mergelsteine) auch Algenriffe und Dolinenfüllungen zu sehen. Herr Hoselmann zeigt die im Hangenden folgenden unter- und mittelpleistozänen Mainterrassensedimente und die Mosbacher Sande. Er charakterisiert den Ablagerungsraum als Verzahnungsgebiet von Main und Rhein. Herr Keller und Frau Sander erläutern den weltbekannten Fossilinhalt der Mosbacher Sande.
Abschließend erläutert Herr Hoselmann die anstehenden Mittelterrassen des Mains sowie die sie überlagernden Deckschichten und die in diesen entwickelten Paläoböden.
Beim hier vorliegenden Text handelt es sich um eine Zusammenfassung des Protokolls, das vom Sekretär der SKQ, Lutz Katzschmann, erstellt worden ist.
Mit der Ausgabe Nummer 2 des Jahrgangs 58 vollzieht sich eine markante Weiterentwicklung von Eiszeitalter und Gegenwart (Quaternary Science Journal). Das traditionsreiche Wissenschaftsjournal erscheint mit dieser Ausgabe nicht nur im neuen Layout sondern erstmals als hybride Publikation – da neben der gedruckten auch eine elektronische Ausgabe veröffentlicht wird, welche unter dem Open Access-Paradigma steht.
Ziele dieser Veränderungen sind die weitere Professionalisierung des Journals und die Anpassung an die aktuellen Erfordernisse der internationalen Wissenschaftskommunikation. Damit sollen gleichzeitig auch die Anforderungen an eine Aufnahme in den Science Citation Index erfüllt werden. Dem Anliegen unserer Vereinigung, quartärwissenschaftliche Forschung zu fördern, möchten wir mit dieser modernen Publikationsform weitere Impulse geben. Dabei steht uns mit dem neuen Verlag Geozon Science Media ein innovativer und kompetenter Partner zur Seite.
Neues Layout
Das Layout wurde auf das größere DIN A4-Format umgestellt, um auch in der äußeren Form den Schritt vom Jahrbuch zum Journal sichtbar zu machen. Der Satzspiegel beträgt nun 17,2 x 26 cm und die Spaltenbreite jeweils 8,4 cm. Neben den flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten bietet das neue Format auch einen effizienteren Produktionsprozess. Dieser wird ressourcenschonend und weitestgehend klimaneutral gestaltet. Das verwendete Papier ist mit dem Umweltsiegel Blauer Engel ausgezeichnet.
Open Access
Zukünftig stehen Ihnen die PDF-Dateien der Gesamtausgabe und darüber hinaus auch der einzelnen Artikel im Internet zur Verfügung. Sie können diese sowohl online als auch lokal auf Ihrem Computer, E-Reader oder Smartphone lesen.
Die digitale Publikation steht im Sinne eines echten Open Access kostenlos für alle Nutzer zur Verfügung. Dieses Publikations-Paradigma wurde bereits 2003 in der Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen formuliert und wird mittlerweile von allen großen deutschen Forschungsinstitutionen sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) unterstützt.
Die Vorteile einer Open Access-Publikation liegen in der schnelleren Verfügbarkeit, weiteren Verbreitung und – wie Studien belegen – höheren Zitationsrate. Zu diesem Zweck erhalten ab sofort alle Artikel in Eiszeitalter und Gegenwart eine eigene DOI-Nummer. Dieser Digital Object Identifier ermöglicht die korrekte Zitation einer Online-Publikation.
Weiterhin werden alle Beiträge unter einer Creative Commons-Lizenz vertrieben, was einerseits die Rechte der Autoren schützt und andererseits die freie Verfügbarkeit ermöglicht.
Online-Seite
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Neben den aktuellen Journal-Ausgaben wird ein Online-Archiv nach und nach alle bisher erschienen Jahrgänge von Eiszeitalter und Gegenwart im Volltext erschließen und frei verfügbar machen.
Geozon Science Media
Der neue Verlagspartner Geozon Science Media ist ein Ausgründungsprojekt des Institutes für Geographie und Geologie der Universität Greifswald. Das Projekt wurde von der Europäischen Union und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert, mit dem Ziel ein modernes Open Access-Publikationssystem für Wissenschaftler zu entwickeln.
Dieses Publication System for the Science (PUBLISS) wird ab September 2010 unter www.geozon.net als webbasierte Applikation wissenschaftlichen Autoren aus den Fachbereichen der Geo- und Umweltwissenschaften ein effizientes Multi-Channel-Publishing ermöglichen. Alle wesentlichen Services, wie z.B. Korrektorat, Übersetzung, Layout, Druck, Vertrieb und Online-Archivierung, können modular entsprechend den Anforderungen des jeweiligen Publikationsprojektes gebucht werden. Eine Kostenvorschau in Echtzeit sorgt dabei für die nötige Transparenz. Neben hybriden Büchern und Journals können via PUBLISS auch reine Web-Dokumente publiziert werden.
Holger Freund, Wilhelmshaven & Sascha Fricke, Greifswald