26. AGAQ-Tagung vom 25.–27. April 2014 im Wiener Becken

Erläuterungen von Philipp Häuselmann zu kosmogenen Isotopen in einer Kiesgrube der Gänserndorfer Terrasse. Foto: M. Fiebig
Erläuterungen von Philipp Häuselmann zu kosmogenen Isotopen in einer Kiesgrube der Gänserndorfer Terrasse. Foto: M. Fiebig

Die diesjährige Tagung der Arbeitsgemeinschaft Alpenvorlandquartär (AGAQ) fand auf Einladung von Markus Fiebig und Christopher Lüthgens an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien sowie in Orth an der Donau im niederösterreichischen Marchfeld statt.

Der Freitagnachmittag stand ganz im Zeichen einer kleinen Feierstunde zum 10-jährigen Jubiläum der Quartärgeologie an der BOKU Wien. Nach einer sehr herzlichen Begrüßung durch den Rektor der Universität Magnifizenz Martin Gerzabek führte Sabine Grupe (Wiener Gewässer Management) auf sehr ansprechende Art und Weise in die Grundwasserverhältnisse im Untergrund der Stadt Wien ein. Dabei stand das spektakuläre Schwechat-Tief am Stadtrand von Wien im besonderen Fokus des Vortrags.
Ruth Drescher-Schneider (Graz) gab einen Überblick zur palynologischen Gliederung der Ostalpen beginnend im Mittelpleistozän. Hierbei brachte sie insbesondere auch aktuelle Neukorrelationen ins Gespräch, von denen besonders die Vorschläge zur Stellung des Holstein-Interglazials spannende Diskussionen auslösten.
Philipp Häuselmann (Schweizer Institut für Späleologie und Karstforschung) betrachtete in seinem Vortrag die Nutzung kosmogener Isotope zur Datierung von Höhlen. Die Eintiefungsgeschichte alpiner Täler, die sich aufgrund dieser Daten genauer rekonstruieren lässt, wirft ein neues Bild auf die morphologische Entwicklung – insbesondere die Hebung und Einschneidung – in den Alpen.
Christopher Lüthgens (BOKU Wien) gab einen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten, wie mit Hilfe von Optisch Stimulierten Lumineszenz Datierungen (OSL) neues Licht in die Landschaftsgeschichte gebracht werden kann. Dabei schilderte er Kooperationen des Wiener Labors für Lumineszenzdatierungen (gemeinsam betrieben von den Universitäten BOKU Wien und Universität Wien) mit einer Reihe von nationalen und internationalen Projektpartnern.
Christian Schlüchter (Universität Bern) stellte pointiert grundsätzliche Fragen zum Forschungsfeld der Quartärgeologie und Paläoklimatologie. Er betonte, dass selbst die großen Zusammenhänge, z.B. warum der Planet Erde überhaupt solche Phänomene wie Eiszeiten zeigt, bis heute in vielen Punkten noch weitgehend unverstanden sind.
Am Samstagmorgen startete bei zunächst noch recht ungünstigem Wetter die Exkursion ins Marchfeld. Zusammen mit Kurt Decker, Maria Heinrich, Esther Hintersberger und Jürgen Reitner führte Markus Fiebig in die quartäre Landschafts- und Donauflussgeschichte ein. Aufgrund von großen sedimentologischen Lücken, die im Laufe der Landschaftsgeschichte in Erosionsphasen gerissen wurden, ist die Flussgeschichte der Donau nur sehr unvollständig rekonstruierbar. Vom Bisamberg aus – weit über dem heute von der Donau benutzen Klosterneuburger Donau-Durchbruch gelegen – bewegte sich die Exkursion über die Terrasse von Sierning (Terrassensockel 17 m über Donau) auf die morphologisch als Hochterrasse eingestufte Gänserndorfer Terrasse. Dort wurden die Exkursionsteilnehmer von der Firma Haindl (Markgrafneusiedl) begrüßt und in die Technik der Kiesgrubenrekultivierung mit Hilfe der Anpflanzung von Aronia Beeren eingeführt. Bei einem anschließenden Imbiss konnte die besondere Qualität dieser Beeren ausführlich getestet werden. In Markgrafneusiedl wurde dann mit herrlicher Aussicht bei schönstem Wetter von einem ehemaligen Wehrkirchen- bzw. Windmühlen-Turm aus die Schlacht gegen Napoleon durch Herrn Prenner aus Markgrafneusiedl sehr lebendig und anschaulich erläutert. Auch im Krieg hatte die Morphologie der quartären Terrassen offenbar eine größere Rolle gespielt.
Anschließend stellten Kurt Decker und Esther Hintersberger ihre umfangreichen Untersuchungen zu morphologisch sichtbaren tektonischen Bewegungen bei Markgrafneusiedl und insgesamt im Wiener Becken vor. Die relativ gesehen abgesenkten Elemente des Obersiebenbrunner und Lasseer Beckens wurde anschließend durch die Exkursion überquert, um im Bereich der Schlosshof-Terrasse bei Breitensee erneut spiegelbildlich entsprechende Morphologie-Elemente und Tektonik zu erkennen. Es konnte dabei hervorragend demonstriert werden, dass die quartären Terrassen im Wiener Becken in Höhenlage und Form durch tektonische Bewegungen maßgeblich mitgestaltet wurden.
Nach Abendessen und Quartierbezug in Orth a. d. Donau stand dann ein weiterer Vortragsabend im Schloss Orth auf dem AGAQ-Programm. Bernhard Lempe (TU München) führte gekonnt in die Verhältnisse im bayerischen Ronsberg und Obergünzburg ein. Dort sind Terrassenkreuzungen der quartären Flussläufe von besonderer Bedeutung. Margot Böse (Freie Universität Berlin) zog in einer inspirierenden Rede einen Bogen durch die Moränenlandschaften südlich von Berlin und betonte die Rolle von numerischen Datierungen bei der Neuinterpretation von quartären Landschaftselementen. Esther Hintersberger (Universität Wien) ließ die tektonischen Befunde von der Tagesexkursion noch einmal aufleben und lieferte weitere Antworten zu den Fragen des beeindruckten Publikums. Mathias Bichler (Geologische Bundesanstalt Wien) brachte die spätglaziale Geschichte von Bergstürzen und Vergletscherungen im Rauristal unterhalb des Sonnblicks in eine plausible Abfolge. Lukas Bickel konnte dann am späteren Abend auch noch zum Abschluss die Zuhörer mit seinen Untersuchungen im oberösterreichischen Ybbs-Tal in den Bann ziehen. Auf der Basis seiner OSL-Datierungen ergaben sich völlig neue Befunde zur Flussgeschichte im Ybbs-Tal. Lebhafte Diskussionen kennzeichneten den Vortragsabend bis zu seinem Ende gegen 23 Uhr.
Am nächsten Morgen startete die Exkursion zunächst ins Nationalparkzentrum in Orth. Nach dem malerischen Au-Theater wurden ein Zeitreisetisch und ein begehbares Luftbild des Nationalparkgebiets besucht. Auch für Fachleute ist das Nationalpark-Zentrum einen Besuch wert. Danach konnte auf dem Rückweg nach Wien noch die holozäne Terrassenstratigraphie begutachtet und als Abschluss der Tagung das spektakuläre Schwechat-Tief – bekannt aus dem ersten Vortrag am Freitagnachmittag – besucht werden.
Die AGAQ 2014 endete gegen Mittag und hat einmal mehr einen interessanten Bogen durch die regionale Quartärgeologie einer Alpenlandschaft aufgezeigt. Die AGAQ-Tagung 2015 wird voraussichtlich vom 1.-3.2005 stattfinden. Näheres z.B. zum Tagungsort findet sich ab Anfang 2015 auf der Homepage der AGAQ: http://www.baunat.boku.ac.at/agaq.html.
Markus Fiebig & Christopher Lüthgens (Wien)