Helmut Heuberger 1923 – 2011

Am 16. November 2011 ist Prof. Dr. Helmut Heuberger, langjähriges Mitglied der DEUQUA und Inhaber der ALBRECHT-PENCK-Medaille, im 89. Lebensjahr in Salzburg verstorben. Helmut Heuberger gehörte der Generation an, die in ihren jungen Jahren von den Wirrnissen nach Ende des Ersten und um den Zweiten Weltkrieg voll betroffen war.

Nach Volksschule und Gymnasium in Innsbruck folgte nach Reichsarbeitsdienst ab Oktober 1941 als Kriegsfreiwilliger der Kriegseinsatz bei einer Panzerjägerkompanie an der Ostfront. Durch eine schwere Verwundung im Februar 1943 nachhaltig kriegsuntauglich, konnte er mit dem Wintersemester 1943 ein breit angelegtes Studium in den Fächern Geschichte, Geographie, Geologie, Völkerkunde sowie Germanistik an der Universität Innsbruck beginnen. Während dieser Zeit kam Helmut Heuberger durch seine Verwandtschaft mit Fritz Molden, dem späteren Diplomaten, Zeitungsherausgeber und Verleger zur österreichweit operierenden Widerstandsgruppe O5, die er bis Kriegsende in Tirol aktiv unterstützte. Nach Ende des Krieges schloss er 1952, nach einem 1947 durch ein Stipendium ermöglichten Semester an der ETH Zürich, das Studium der Geographie mit dem Nebenfach Geologie in Innsbruck ab. Nach Anstellungen als Demonstrator (1950) und wissenschaftliche Hilfskraft (1955) wurde er nach Freiwerden einer Stelle 1958 Assistent am Geographischen Institut der Universität Innsbruck.

1956 heiratete er seine Kollegin Dr. Adelheid geb. Hardorp, die ihn nahezu 50 Jahre lang, bis zu ihrem Ableben, bei seinen Forschungen und Reisen immer wieder unterstützte. 2008 heiratete er Frau Ilse geb. Meyer, die ihm aber 2011 sechs Monate voraus ging.

1965 konnte er sich schließlich mit einer Arbeit in seinem ureigenen Arbeitsgebiet, den Stubaier Alpen, habilitieren. Die Habilitationsschrift wurde mit dem Kardinal-Innitzer-Preis ausgezeichnet. In diese Zeit fielen aber auch seine Aktivitäten in der Frage um die Autonomie Südtirols, erst im Bergisel-Bund, später auch im Befreiungsausschuss Südtirol, die ihm 1966 in Italien in Abwesenheit eine Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe eintrugen, was faktisch einem Einreiseverbot nach Italien gleichkam.

Nach diesen turbulenten Jahren folgten eine Gastdozentur 1967/68 in Hamburg sowie 1969/70 an der FU Berlin, bevor er 1972 die Stelle eines außerordentlichen Professors (C3) an der Universität München antreten konnte. 1980 erfolgte die Berufung zum Ordinarius als Nachfolger E. Lendls an das Geographische Institut der Universität Salzburg, wo er dann auch in den Jahren 1987-1989 Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät war. 1978 wurde er zum Korrespondierenden Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ernannt.

Eine Folge seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war auch die Aufnahme in viele Fachgremien, in denen er auch leitend tätig war. Exemplarisch seien nur einige wie die Tätigkeit im Vorstand der „Arbeitsgemeinschaft für vergleichende Hochgebirgsforschung“ in München oder die Mitgliedschaft in der “Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften“ oder der “Kommission für Quartärforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“, genannt.

Durch seine bergsteigerischen Interessen und seinen Lehrer H. Kinzl ergab sich das Thema seiner Dissertation “Gemorphologische Untersuchungen in den nördlichen Stubaier Alpen“ und letztendlich auch seine weitere Beschäftigung mit der gletschergeprägten morphologischen Entwicklung des Hochgebirges.

Schon bald nach Abschluss seines Studiums eröffnete sich die Gelegenheit 1954, als begleitender Wissenschaftler, an der erfolgreichen Österreichischen Cho-Oyu Expedition von H. Tichy teilzunehmen. Dieses auch aus bergsteigerischer Sicht wohl prägendste Erlebnis weckte in ihm das Interesse am Himalaya und Nepal.

In den darauf folgenden Jahren ging H. Heuberger wieder seinen Forschungen zum Spät- und Postglazial in den Ötztaler und Stubaier Alpen nach. In diese Zeit fiel auch die Neubearbeitung der klassischen Spätglazialen Gletscherstände im Tiroler Raum (wie z.B. Gschnitz) gemeinsam mit F. Mayr für den VII. INQUA-Kongress 1965 in Denver, USA. Sinn und Zweck war, eine zeitgemäße modernere Darstellung dieser damals gültigen Marken der alpinen Gletscherentwicklung einem breiten internationalen Publikum zu erschließen.

Ebenso in dieser Zeit erfolgte der Versuch der zeitlichen Erfassung der jüngsten Gletscherschwankungen im Gletschervorfeld gemeinsam mit R. Beschel mit Hilfe der neuen Methode der Lichenometrie.

Eine auch für einen weiteren Kreis der Erdwissenschaften wesentliche Arbeit war seine langjährige Beschäftigung mit der Großgleitung beim Weiler Köfels im Ötztal, dem “Bergsturz von Köfels“. Als lokaler Kenner der Situation vom Mineralogen E. Preuss, der Interesse am Bimsstein von Köfels hatte, kontaktiert, stellte er auch die Verbindung zum Materialwissenschaftler Th. Erismann her. In dieser fachübergreifenden Zusammenarbeit konnte die heute, im Gegensatz zu früheren Deutungen als Folge eines Vulkans oder Impakts, wohl allgemein akzeptierte Erklärung der Bildung der natürlichen Gläser und des Bimssteins als Folge der Reibungshitze beim Gleitvorgang erarbeitet werden. In der weiteren Beschäftigung mit diesem Phänomen wurde später auch die Verbindung zu einem ähnlichen Ereignis im Himalaya hergestellt. Anschließend daran initiierte er noch weiterführende Untersuchungen zur Datierung des Ereignisses durch kosmogene Isotope sowie mittels Seismik die Erfassung der Ausgangsform des Ötztals vor dem Abgang der Großgleitung.

In seinen beiden letzten Arbeiten konnte er noch Ergebnisse aus seinem über viele Jahre durchforschten Arbeitsgebiet, dem Zemmgrund im Zillertal vorlegen, wobei ihm der Führer zum “Gletscherweg Berliner Hütte“ als populärwissenschaftliche Veröffentlichung besondere Freude gemacht hat.

Dirk van Husen (Altmünster, Österreich)