Diskussion um die Quartärstratigraphie von Neumark-Nord beendet

Am 9. und 10. März 2010 fand am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) in Halle ein Arbeitstreffen zum Thema „Paläoumwelt, Geochronologie und Archäologie der Fundstelle Neumark-Nord“ statt. Zu dieser Veranstaltung geladen hatte das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz (RGZM) (S. Gaudzinski-Windheuser, W. Roebroeks), das die wissenschaftliche Bearbeitung der Paläolith-Fundstelle Neumark-Nord (Becken NN2) seit 2006 gemeinsam mit dem LDA leitet. In die geologisch-paläontologische Bearbeitung des Aufschlusses ist seit 2003 auch eine vom Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt koordinierte Arbeitsgruppe (S. Wansa) involviert. Ziel des Treffens war ein umfassender Austausch und eine breite Diskussion der vielfältigen neuen Untersuchungsergebnisse.

Das 1985 von M. Thomae (Halle) entdeckte und nachfolgend unter Leitung von D. Mania (Jena) wissenschaftlich bearbeitete Interglazialbecken Neumark-Nord 1 (NN1) stand insbesondere wegen außergewöhnlich umfangreicher Funde von Wirbeltier-Skeletten und der umstrittenen stratigraphischen Einstufung seiner warmzeitlichen Ablagerungen schon bald im Blickpunkt der „Quartär-Community“. Nachdem das Becken NN1 durch den Braunkohlenabbau bereits teilweise devastiert war, stieß D. Mania 1995 auf ein weiteres Paläoseebecken (NN2), das er ebenfalls dokumentierte und dessen wissenschaftliche Bearbeitung er bis zur Übernahme durch das RGZM leitete. Die Anlage beider, im Hangenden der Saale-Grundmoräne (Zeitz-Phase, Drenthe-Stadium) befindlichen Becken geht auf Braunkohlendiapirismus zurück (M. Thomae).

Nach der vielfach publizierten Darstellung von D. Mania (und Arbeitsgruppe) sollte das Becken NN1 eine mittelpleistozäne, intrasaalezeitliche Warmzeit repräsentieren, während in NN2 zwei weitere, durch eine fragliche Warthe-zeitliche Kaltphase getrennte Warmzeiten nachgewiesen seien, von denen die jüngere dem Eem entspräche. Bereits 1994 hatte T. Litt (Bonn) aufgrund neuer palynostratigraphischer Befunde und durch eine kritische Bewertung der Argumente Manias die Ablagerungen von NN1 in die Eem-Warmzeit gestellt, was durch nachfolgende Untersuchungen von K. V. Kremenetski bestätigt wurde. Im Rahmen einer Exkursion der Subkommission Quartär der Deutschen Stratigraphischen Kommission am 27.06.2008 nach Neumark-Nord sind neue Untersuchungsergebnisse vorgestellt worden, die zeigen, dass im Becken NN2 nur eine Warmzeit – das Eem – ausgebildet ist. Zudem konnte vor allem anhand der Pollenprofile (Seifert, Litt, Kremenetski, Strahl) die Gleichaltrigkeit der Becken NN1 und NN2 sehr wahrscheinlich gemacht werden (siehe GMit Nr. 33, September 2008: 57–58).

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass das Arbeitstreffen in Halle – neben umfangreichen neuen Erkenntnissen zur Archäologie der Fundstätte – auch einen klärenden Abschluss der Stratigraphie-Debatte ermöglichte. Dafür waren insbesondere die übereinstimmenden Ergebnisse der physikalischen Altersbestimmungen an Material aus NN1 und NN2 (M. Krbetschek, T. Schüler, D. Richter, J. Wallinga, K. Britton, K. Penkman) sowie die Auseinandersetzung mit den Pollenprofilen (C. Bakels, J. Strahl) maßgebend. Wichtig war auch die kritische Diskussion der klimatostratigraphischen Relevanz sedimentologischer und verschiedener paläontologischer Untersuchungsergebnisse (Makroflorenreste, Großsäuger). Im Ergebnis gilt nunmehr die Isochronie der Beckensedimente von NN1 und NN2 sowie ihre Einordnung in die Eem-Warmzeit als erwiesen.

Als weiterführende Arbeiten zu Neumark-Nord wurde eine Feinkonnektierung beider Beckenfolgen auf der Basis der Pollenzonierung angeregt (S. Gaudzinski-Windheuser). Zudem lassen ein neuer Tagesaufschluss und Bohrungen im näheren Umfeld von NN2 weitere limnische Beckenfüllungen zwischen Braunkohlendiapiren erwarten (E. Brühl, M. Thomae).

Den Veranstaltern vom RGZM (S. Gaudzinski-Windheuser, W. Roebroeks) und vom LDA (H. Meller, V. Dresely, S. Friederich) gebührt Dank und Anerkennung für die engagierte Organisation der Veranstaltung, die im Vorfeld einer bedeutenden Sonderaustellung des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle stattfand. Unter dem Titel „Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa“ werden vom 26.3–3.10.2010 die spektakulären Skelettfunde von Neumark-Nord im paläoökologischen Kontext präsentiert.

Stefan Wansa, Halle/Saale & Jaqueline Strahl, Cottbus

Subkommission Quartär der Deutschen Stratigraphischen Kommission

 

 

 

Foto: Profilaufnahme im Becken Neumark-Nord 2 am 28.03.2007, Foto: Stefan Wansa.