Daten für die Küste - zwischen Wirtschaft und Natur, von Sturmfluten und Deichen

Der Jadebusen rückt ins Visier multidisziplinärer Untersuchungen, welche die Epoche des Holozäns natur- und kulturwissenschaftlich umfassen. Im September 2008 nahmen in Wilhelmshaven sieben Forschergruppen ihre Arbeit in einem durch das Land Niedersachsen geförderten Verbundprojekt auf (Jadebusenprojekt).

Der Jadebusen rückt ins Visier multidisziplinärer Untersuchungen, welche die Epoche des Holozäns natur- und kulturwissenschaftlich umfassen. Im September 2008 nahmen in Wilhelmshaven sieben Forschergruppen ihre Arbeit in einem durch das Land Niedersachsen geförderten Verbundprojekt auf (Jadebusenprojekt). Seit Januar dieses Jahres vervollständigen drei weitere Gruppen die fachübergreifenden Arbeiten in einem Forschungsareal zwischen JadeWeser Port-Fahrrinne und Nationalpark-Schutzzone. Wesentliches Produkt des Vorhabens wird ein disziplinübergreifendes Datenlager sein, das über die wissenschaftliche Zielsetzung hinaus einen Ausblick auf die weitere Entwicklung eines Küstensiedlungsgebietes im Nationalpark erlauben soll.
Die Entwicklung des Jadebusen wird in vier Forschungsinstituten unter Beteiligung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer mit dem Ziel verfolgt, synoptisch eine zentrale georeferenzierte Basisdaten- und Informationsquelle aufzubauen, in der die Kompartimente Geosphäre, Biosphäre und Anthroposphäre inhaltlich vernetzt sind. Vorhandene Datenlücken der ausgewerteten Archive sollen durch gezielt angesetzte Untersuchungen und Prospektionen aus den Fachbereichen Geologie, Geophysik, Organische- und Anorganische Geochemie, Benthosökologie, Historische Geographie, Archäologie und Morphodynamik geschlossen und im projekteigenen Datenmanagement verschnitten, visualisiert und analysiert werden. Fachspezifisch unterschiedliche Formate und Inhalte finden hier ebenso besondere Berücksichtigung wie die räumliche und zeitliche Diversität der Daten. Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung (NIHK), der Abteilung für Meeresforschung des Senckenberg-Instituts und der Forschungsstelle Küste des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN-FSK) wird das Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg (ICBM) die nächsten drei Jahre an der Umsetzung dieses Ziels arbeiten.
Das Vorhaben zielt auf ein besseres Verständnis der Art und Ausprägung eines marin-terrestrischen Übergangsraumes. Die darin dokumentierten Prozesse sind Zeitzeugen eines ansteigenden Meeresspiegelstands. Als mittelfristige Aufgabenstellung der geowissenschaftlich-paläoökologischen Projektarbeiten wird die partielle Rekonstruktion der Holozänbasis sowie eine weiterführende Erfassung der räumlichen Verteilung holozäner Sedimente im Einzugsgebiet Jadebusen angestrebt. In der Geowissenschaft ist das Jadebusengebiet heute noch weitgehend terra incognita; projektorientierte Geländearbeiten zielen darauf ab, das ausgeprägte Informationsloch in den Geodaten des Außendeichbereichs zu schließen. Ebenso erhoffen sich die Historischen Geographen von diesem Projekt weiterführende Einblicke in die mittelalterlichen Sturmflutereignisse. Besonders im östlichen Bereich, einer Region, die auch heute noch zu den stark überflutungsgefährdeten Küstenbereichen zählt, sind diese nicht hinreichend dokumentiert. Schwerpunkt der Archäologie wird es sein, die Zusammenhänge zwischen Salztorfgewinnung und sturmflutbedingten Meeresvorstößen aufgrund von Flächenabsenkungen ehemaliger Abbaugebiete aufzudecken. Letztendlich sollen diese Schwerpunktthemen, inhaltlich ergänzt durch geochemische Schwermetall- und Schadstoffanalysen und anorganisch-chemische Untersuchungen in der Wassersäule, die Grundlage für eine szenarische und prognostische Modellierung bilden. Ein solches modellhaftes Verständnis der Küstenregion verdeutlicht wiederkehrende Problematiken ihrer Besiedlungsgeschichte und hilft deren naturschutzfachliche Bedeutung zu bewerten.
Ergänzend zu den Eckpfeilern dieses Projekts werden Schnittstellen zu frei zugänglicher Software angestrebt, die projektbezogene Metadaten mit themenverwandten externen Datenbanken verknüpfen sollen – eine anwendungsfreundliche Praxis, die einer niedersächsischen Küstendatenbank als solide Basis dienen kann.
Wolfram Wartenberg, Wilhelmshaven

 

Foto 1: Bohrarbeiten auf der Bohrplattform „Bohrbo“ (freundliche Leihgabe des FTZ Büsum der Universität Kiel) im zentralen Jadebusengebiet (Foto: W. Wartenberg)

 

Foto 2: Gezeitenschichtung in holozänen Sedimenten. Bohrkern aus dem zentralen Jadebusen. Teufe: -5,20 bis -5,35 m NN (Foto: W. Wartenberg)