DEUQUA 2014 in Innsbruck

Ein Teil der Tagungsteilnehmer der 37. Hauptversammlung der DEUQUA in Innsbruck. (Foto: C. Spötl)
Ein Teil der Tagungsteilnehmer der 37. Hauptversammlung der DEUQUA in Innsbruck. (Foto: C. Spötl)

Ende September fand in Innsbruck die 37. Hauptversammlung der Deutschen Quartärvereinigung (DEUQUA) in den Räumen der Universität statt. Die Tagung und Exkursionen wurden von Christoph Spötl und seinem Team ausgezeichnet organisiert. Die Veranstaltung war mit rund 120 Teilnehmern sehr gut besucht.

Ende September fand in Innsbruck die 37. Hauptversammlung der Deutschen Quartärvereinigung (DEUQUA) in den Räumen der Universität statt. Die Tagung und Exkursionen wurden von Christoph Spötl und seinem Team ausgezeichnet organisiert. Die Veranstaltung war mit rund 120 Teilnehmern sehr gut besucht.

Im Foyer des Universitätsgebäudes fand am ersten Abend die traditionelle Icebreaker-Party statt, die von den Teilnehmenden für erste Gespräche genutzt wurde.

Am folgenden Tag wurde die DEUQUA-Hauptversammlung vom Tagungsleiter Christoph Spötl offiziell eröffnet. Insgesamt gab es ein breites Vortragsprogramm, dessen Schwerpunkt natürlich im Alpenraum und hier speziell im Würm-Glazial sowie im Holozän lag. Zu folgenden Themenreichen gab es Vortragsblöcke, die jeweils mit Keynote-Vorträgen eingeleitet wurden:

  • Die Alpen im Holozän
  • Die Alpen im Pleistozän
  • Gebirgspermafrost
  • Fortschritte in der Quartärstratigraphie
  • Rekonstruktion quartärer Umweltbedingungen
  • Angewandte Aspekte der Quartärforschung
  • Open Session

Begleitet wurden die Vorträge durch eine umfangreiche Posterausstellung. Die Kurfassungen der Tagungsbeiträge sind in der Conference Series der Universität Innsbruck (ISBN 978-3-902936-50-9) erschienen sowie unter www.uibk.ac.at/iup/buch_pdfs/deuqua_2014.pdf frei zugänglich.

Nach dem ersten Vortragstag fand die Mitgliederversammlung statt, auf der für den Zeitraum 2015 bis 2018 ein neuer Vorstand gewählt wurde. Neuer Präsident der DEUQUA wird Frank Preusser (Stockholm/Freiburg). Im Rahmen der Mitgliederversammlung wurden zwei Woldstedt-Preise für herausragende Qualifikationsarbeiten aus dem Bereich der Quartärwissenschaften an Andrea Schneider (Tromsø) sowie Max Engel (Köln) vergeben. Weiterhin wurde Wolfgang Poßin (Hagenburg) mit der Ehrenmitgliedschaft der DEUQUA ausgezeichnet.

Nach einer beeindruckenden Seilbahnfahrt auf eine Höhe von 1905 m ü. d. M. fand im Restaurant Seegrube oberhalb von Innsbruck am Abend des zweiten Vortragstages im festlichen Rahmen das Conference-Dinner statt. Höhepunkt dieser gelungenen Veranstaltung war die Überreichung der Albrecht-Penck-Medaillen für hervorragende wissenschaftliche Verdienste für die Quartärforschung an Ruth Drescher-Schneider sowie Klaus-Dieter Jäger durch die Präsidentin der DEUQUA, Margot Böse (Berlin). Im Rahmen der Festveranstaltung wurden auch zwei Preise für ausgezeichnete Poster vergeben. Diese Preise haben Simon Matthias May (Köln) et al. zum Thema „Typhoon Haiyan‘s coarse-clast record and its significance for palaeo-event research“ sowie Zhijun Wang (Innsbruck) et al. für das Poster mit dem Titel „A multidisciplinary approach to understand fluvial terrace formation and concomitant travertine deposition at Tirthapuri, western Tibet” erhalten.

Ein umfangreiches Vor- und Nachexkursionsprogramm rundeten die DEUQUA-Tagung ab:

Eine Exkursion führte bei schönstem Spätsommerwetter in den Norden von Innsbruck zu ausgewählten Aufschlüssen der Höttinger Brekzie. Unter der Leitung von Diethard Sanders führte die Exkursionsroute über die am „Engländergrab“ aufgeschlossenen, vermutlich letztglazialen Deltasedimente vorbei zunächst zum Lepsiusstollen. Dieser Stollen wurde vor 101 Jahren im basalen Kontaktbereich der Roten Höttinger Brekzie mit einem liegenden Geschiebemergel zu Forschungszwecken angelegt und bietet noch heute einen hervorragenden Einblick in diese stratigraphisch bedeutsame Grenzfläche. Die stratigraphische Stellung und geochronologische Einordnung der Höttinger Brekzie wurde dann auch am Schlusspunkt der Exkursion im früheren Mayr’schen Steinbruch ausgiebig diskutiert. Aufgrund des großen Interesses wurde die Exkursion zur Höttinger Brekzie während der Tagung ein zweites Mal abgehalten (Leitung Christoph Spötl).

Hanns Kerschner erläutert die geologische Entwicklung zur Zeit des Gschnitz-Stadiums. (Foto: S. Wansa)
Hanns Kerschner erläutert die geologische Entwicklung zur Zeit des Gschnitz-Stadiums. (Foto: S. Wansa)

Eine weitere Exkursion führte in die Region um Baumkirchen, ca. 15 km östlich von Innsbruck. Hier ist im Bereich der Gnadenwald-Terrasse eine ungefähr 250 m mächtige oben-grob Sequenz nachgewiesen. Unter der Leitung von Christoph Spötl führte die Exkursion zunächst in die Tongrube Baumkirchen, in deren Bereich ein Teil der lakustrinen Bänderschluffe der Abfolge aufgeschlossen ist. Christoph Spötl, Reinhard Starnberger und Samuel Barrett gaben den Exkursionsteilnehmern an dieser Stelle einen Überblick über neueste Forschungsergebnisse, die an mehreren Forschungsbohrungen gewonnen werden konnten. Der Fokus lag hierbei besonders auf neuen Erkenntnissen zur Sedimentologie und Geochemie, sowie der chronostratigraphischen Einordnung der Sedimentsequenz mittels Lumineszenz- und Radiokohlenstoff-Datierungen. Anschließend wurde die Absamer Kiesgrube besucht, in deren Abbauwand der obere Abschnitt der Sequenz aus Sanden, glazifluviatilen Kiesen und schließlich einem mächtigen würmzeitlichen Till aufgeschlossen ist.

Das Rosenheimer Becken am Alpennordrand war Ziel der von Martin Herz, Maria Knipping und Ernst Kroemer geleiteten Exkursion. Vom Aussichtspunkt Törwang bot sich ein beeindruckender Blick in das Becken. Nach einem geologischen Überblick und einer Einführung in die Morphogenese des Exkursionsgebietes standen die Seesedimente des eemzeitlichen Samerberg-Profils im Mittelpunkt. Anschließend wurden die spätglazialen Deltaablagerungen des spätwürmzeitlichen Rosenheimer Sees in der Kiesgrube Grad westlich von Flintsbach vorgestellt. Während diese Kiese und Sande als Lockergestein vorliegen, sind die Komponenten der rißzeitlichen Deltaschüttungen miteinander verkittet. Sie werden als Werksteine im Steinbruch Grad Nagelfluhwerk Brannenburg abgebaut. In einem zweiten angrenzenden Steinbruch war das Topset dieser Delta-Konglomerate eindrucksvoll aufgeschlossen. Einr Höhepunkt dieser Exkursion bildete das Interglazial von Höhenmoos, das in einem Bachanschnitt in einem durch Rutschungen geprägten Relief aufgeschlossen ist. Die bis zu 5 m mächtigen Seesedimente wurden in jüngster Vergangenheit pollenanalytisch intensiv untersucht. Nach derzeitigem Stand ist ein mittelpleistozänes Alter, möglicherweise eine Korrelation mit MIS 7, wahrscheinlich.

Das Kaunertal war das Ziel einer von Kurt Nicolussi und Hanns Kerschner geführten Exkursion. Im Rahmen dieser Wanderexkursion wurden die Sedimente der spätglazialen und holozänen Vorstöße des Gepatschferners sowie dendrochronologische Bearbeitungen von Zirbelkiefer-Baumstämmen erläutert. Weiterhin diskutierten die Teilnehmer die Genese des Ölgruben-Blockgletschers.

Eine weitere Exkursion unter Leitung von Hanns Kerschner führte nach Trins im Gschnitztal. Hier bildet die Trinser Moräne einen unübersehbaren Wall, der den Talgrund quert und sich an den Hängen talaufwärts verfolgen lässt. Diese Moräne gilt als Typlokalität des Gschnitz-Stadiums, dessen zeitliche Einordnung lange unklar war. H. Kerschner erläuterte die Forschungsgeschichte aus eigener Erfahrung und stellte den aktuellen Forschungsstand vor, der insbesondere auf Expositionsdatierungen beruht. Demnach ist das Gschnitz-Stadium ca. 17 ka alt und somit etwas älter als bisher angenommen. Die gelungene Tour wurde durch Birgit Terhorst und Bodo Damm mit der Präsentation eines holozänen bis spätglazialen Sediment-Boden-Komplexes auf dem Moränenwall komplettiert.

Die postglaziale Gletscher- und Klimaentwicklung der Venedigergruppe war das Exkursionsziel einer anderthalbtägigen Exkursion, die von Gernot Patzelt geführt wurde. Das phantastische Wetter, die eindrucksvolle Umgebung im Bereich des Schlatenkees sowie die Präsentation der langjährigen Forschungsergebnisse werden allen Exkursionsteilnehmer in Erinnerung bleiben. Die Untersuchungen zur holozänen Gletscher- und Waldgrenzenentwicklung zeigten weiterhin mit Hilfe von dendrochronlogischen Untersuchungen, dass die holozäne Waldgrenze teilweise bei rund 2.600 m ü. d. M. gelegen hat.

Das Ziel der Exkursion ins Fotschertal im Sellrain war, den „Mesolithikern“ und ihrer Kultur auf die Spur zu kommen. Dieter Schäfer stellte mit großem Enthusiasmus die Ergebnisse von 20 Jahren Forschung an der auf 1860 m gelegenen Fundstelle Ullafelsen vor. Schon das Auffinden dieses Platzes seitens der Forscher erscheint einem Außenstehenden zuerst wie ein Wunder. Nach der lebhaften Erläuterung der mesolithischen Jagdmethoden war die Wahl dieser den Talabschnitt beherrschenden Lokalität seitens der steinzeitlichen Jäger absolut nachvollziehbar und man verstand die systematische Herangehensweise der Hochgebirgsarchäologie. Über die Funde von Mikrolithen (Silex) und deren vielfältige Herkunft zeigte Stefano Bertola welche Verkehrsrouten zwischen dem Südrand der Fränkischen Alb und dem Südrand der Alpen existiert haben müssen. Die Fundsituation in Relation zur Genese der einzelnen Bodenhorizonte wurde von Clemens Geitner vorgestellt und daraufhin ausführlich diskutiert.

Christoph Prager und Marc Ostermann stellten auf ihrer Exkursion Ursachen, Bewegungsverhalten und Auswirkungen holozäner Großhangbewegungen im Ablagerungsgebiet des Tschirgant-Bergsturzes am Kalkalpen-Südrand, im nördlichen Ötztal-Kristallin die Bergsturz-Gebiete von Habichen und Tumpen sowie die riesige Felsgleitung von Köfels vor.

Zum Abschluss der DEUQUA-Tagung 2014 führte die Exkursion vom „Vorderriss zum Großen Ahornboden“ ins Herz des Karwendel-Gebirges. Christoph Spötl, David Mair und Reinhard Starnberger zeigten in verschiedenen Aufschlüssen die Sedimentationsgeschichte des Rissbachs, einem Seitental der Isar. Hier werden mehrere Stausituationen mit laminierten Sedimenten durch grobklastische Abfolgen getrennt.

Die Exkursionen bilden traditionell einen wichtigen Teil der DEUQUA, so dass es sehr erfreulich ist, dass von Hanns Kerschner, Karl Krainer und Christoph Spötl ein umfangreicher Exkursionsführer herausgegeben worden ist. Dieser ist bei Geozon Science Media in der Reihe „DEUQUA Excursions“ unter dem Titel „From the foreland to the Central Alps – Field trips to selected sites of Quaternary research in the Tyrolean and Bavarian Alps“ erschienen und kann dort als gedruckte Version (ISBN 978-3-941971-10-3) zum Preis von 34,- € gekauft oder unter www.geozon.info/publikationen als PDF heruntergeladen werden. Daher bietet sich nun allen Interessierten die einmalige Möglichkeit, verschiedene Exkursionsrouten anzufahren und die aktuellen Forschungsergebnisse im zentralen Alpenraum zu erkunden.

Christian Hoselmann (Wiesbaden), Christopher Lüthgens (Wien), Jürgen Reitner (Wien), Herbert Röhm (Hannover), Stefan Wansa (Halle/Saale) & Michael Weidenfeller (Mainz)

Exkursionsgruppe am Schlatenkees im Gebiet der Venedigergruppe (Nationalpark Hohe Tauern). (Foto: A. Fischer)
Exkursionsgruppe am Schlatenkees im Gebiet der Venedigergruppe (Nationalpark Hohe Tauern). (Foto: A. Fischer)